Ortsgeschichte
Türnitz liegt im südwestlichen Abschnitt des Traisentals an der Via Sacra, etwa auf halber Strecke zwischen St. Pölten und Mariazell, in einem der waldreichsten Gebiete des Alpenvorlandes. Die Großgemeinde (Bildung zwischen 1965-1971) setzt sich aus elf Katastralgemeinden zusammen, den sogenannten Rotten. Der „Rottenmann“ eines jeden Ortes war für das Bekanntmachen behördlicher Verfügungen verantwortlich ebenso wie für eine richtige und pünktliche Ablieferung des Zehents.
Das Umland war bereits in der Altsteinzeit „bewohnt“, wie der Fund eines Höhlenbärenschädels in der Köhlerwaldhöhle (Nixhöhle) zeigt, dessen Alter auf 30.000 Jahre geschätzt wird. Das Traisental bildet die natürliche Verlängerung des Manhartsberges gen Süden, dessen Pfade bereits von den Römern für Salzhandel und Eisentransporte mit der römischen Provinzhauptstadt Noricums, Aelium Cetium (St. Pölten), genutzt wurden. Im 9. Jahrhundert entstanden unter Karl dem Großen sogenannte „Grenzmarken“, deren wichtigste Aufgabe die Besiedelung des Landes war. Wilhelmsburg, im oberen Traisental, wurde zum Hauptort der Verwaltung des sich im „Kolonisierungsstatus“ befindlichen inneren Traisentales. In dessen Pfarrsprengel fiel ursprünglich auch Türnitz. Die Burg auf dem Hochstaff (bei St. Veit) übernahm diese Funktion. Die erste Nennung erfolgte in der Stiftungsurkunde Herzogs Leopold VI. für das Kloster Lilienfeld im Jahre 1209: Retse und Durntze für Retzbach und Türnitzbach sowie Durrenliz. Der Herzog überließ bei dieser Gelegenheit dem Stift auch das Jagdrecht. Die Jagdgebiete von Türnitz zählen bis heute zu den besten und schönsten ganz Niederösterreichs. Eine Bestätigung der Stiftung erfolgte 1257 durch Ottokar II. Přemysl.
Aus der weitläufigen Mutterpfarre Wilhelmsburg wurden im 13. Jahrhundert Tochterpfarren ausgeschieden; dazu zählte auch Türnitz, das vermutlich erst um 1259 Pfarre wurde. In diesem Jahr wurde ein päpstlicher Auftrag zur Untersuchung der Rechtsverhältnisse zwischen den Pfarren Wilhelmsburg und Türnitz erteilt. Türnitz erhielt das Patrozinium des hl. Martin und wurde eine Patronatspfarre des Stiftes Lilienfeld. Der ursprüngliche Pfarrsprengel umfasste auch Annaberg, Josefsberg, Mitterbach und Lehenrotte.
Zu Anfang des 14. Jahrhunderts könnte Türnitz bereits über das Marktrecht verfügt haben. Für 1371 ist es urkundlich gesichert mit der Erwähnung von Markt Durncz. In dieser Zeit machten bereits viele Pilger auf ihrem Weg nach Mariazell Station in Türnitz, was dem Kirchort zu einer wirtschaftlichen Blüte verhalf. Das unabhängige Dorf- bzw. Gemeindegericht (Taiding) war neben der Landesgerichtsbarkeit in Kreisbach und Hofgerichtsbarkeit in Lilienfeld, nicht mehr ausreichend: Deshalb wurde die niedere Gerichtsbarkeit mit einem Marktrichter eingeführt. Dieses Recht beinhaltete auch die Abhaltung eines Jahrmarktes.
Im Jahre 1642 ließ P. Cornelius Strauch, Abt des Stiftes Lilienfeld, ein Armenhaus („Bürgerspital“) in der Nähe der Kirche errichten (heute Haus Nr. 28). Zur Zeit der Türkeneinfälle (1683) dürfte eine Talsperre bei Freiland („Türkenmauer“) ein weiteres Eindringen des Feindes in die Steiermark verhindert haben. Bereits 1605 ließ das Stift Lilienfeld Absperrungen errichten, die möglicherweise später ausgebaut wurden. Das Stift Lilienfeld erwies sich als sicheres Bollwerk gegen die Türken. Allerdings waren dennoch zahlreiche Tote zu beklagen. Die Überlebenden gelobten eine jährliche Wallfahrt auf den Sonntagberg und nach Maria Taferl. 1733 wurde das Gelöbnis dahingehend ergänzt, dass mindestens eine Person pro Haus daran teilnehmen müsse. Bei Unterlassung war eine Wachsgabe an die Kirche zu leisten.
Im Jahre 1813 zerstörte ein katastrophales Unwetter die Straße, die durch das Türnitz-Tal führte und auch „Kaiserstraße“ genannt wurde. Diese alte Prachtstraße war eine der bedeutendsten Kunststraßen der Monarchie und wurde durch Kaiser Karl VI. und Maria Theresia zwischen 1738 und 1747 errichtet. Sie wurde nach dem Unwetter wieder hergestellt.
Im 19. Jahrhundert florierte in Türnitz die Sensenerzeugung. Der erste Sensenhammer entstand 1825 in einer 1639 gegründeten Hammerschmiede, weitere folgten 1846, 1855 und 1865. Um die Jahrhundertwende wurden pro Tag bis zu 1.400 Sensen produziert. Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Türnitz eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde allerdings bereit 1854 wieder aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Lilienfeld zugewiesen.
Während eines Hochwassers im Jahre 1897 suchte sich die Traisen ein neues Flussbett. Da der Fluss erst unterhalb des Steinbichler-Wehres wieder in das alte Flussbett einfloss, sahen sich die Sägewerks- und Sensenwerksbesitzer in der Pichlrotte genötigt, die Traisen in ihr altes Bett zurückzuleiten. In das nun trockene Flussbett errichtete Josef Steinbichler 1898 ein Voll- und Schwimmbad, das durch den Scharbach gespeist wurde. Steinbichler überließ das Bad 1904 der Gemeinde um den Preis von 2.000 Gulden. 1934 wurden neue Kabinen in Holzbauweise errichtet, die aber 1974 abbrannten und 1975 in Massivbauweise wieder hergestellt wurden.
1908 wurde Türnitz an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Dieser Umstand und die Zunahme des Fremdenverkehrs brachten einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Türnitzer Eibl und der Tirolerkogl wurden zu Zentren des Schisports. 1912 wurde auf dem Eibl das erste Schirennen ausgetragen. In den Jahren 1929 bis 1954 stellten die beiden Söhne des Wagner- und Schmiedemeisters Karl und Ignaz Karner erfolgreich Schier aus Eschenholz her. Nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – 1950/51 – wurde ein Schlepplift auf dem Eibl errichtet, dem vier weitere in den 60er Jahren folgten. Schließlich wurde 1971 ein Doppelsessellift errichtet. Eine Beschneiungsanlage sollte ab 1993 Schneesicherheit garantieren. Um den Fremdenverkehr im Sommer anzukurbeln, wurde 2004 auf dem Eibl eine Allwetterrodelbahn errichtet.
Am 26. Februar 1985 verlieh die NÖ Landesregierung dem Markt Türnitz ein Marktwappen: In einem gespaltenen Schild vorne im blauen Feld drei goldene Lilien, zwei zu eins gestellt, hinten im goldenen Feld ein roter gezinnter Marktturm mit aufgezogenem Fallgitter, der über drei, im Schildesfuß befindlichen, blauen Wellenbalken steht. Die vom Gemeinderat festgesetzten Gemeindefarben Blau-Gelb-Rot wurden genehmigt.