Ortsgeschichte
Im Weitental an der Einmündung des Nastinger Baches liegt die Waldviertler Marktgemeinde Weiten. Das heutige Gemeindegebiet umfasst die Katastralgemeinden Eibetsberg bei Weiten, Eitenthal, Filsendorf, Jasenegg, Mollendorf, Mörenz, Nasting, Rafles, Seiterndorf, Streitwiesen, Tottendorf, Weiten und Weiterndorf.
Während der Jungsteinzeit führte eine der Routen zur Nordsee durch das Weitental. Erste Siedlungsspuren gehen auf das 7. und 8. Jahrhundert zurück. In karolingischer Zeit wurden vermehrt bayrische Siedler in der Ostmark angesiedelt, um das Land urbar zu machen. Ausgehend vom damaligen Zentrum auf der Feste Weitenegg sicherten mehrere Burgen und Festungen die wichtige Verbindung vom Donautal ins Waldviertel. 1096 erfolgte die erste urkundliche Nennung des Ortes als Wäten (später Witin). Für die Deutung des Ortsnamens gibt es verschiedene Interpretationsvorschläge: slaw. vidina = klarer Bach, Widem oder Witten = Widmung, Stiftung einer Pfarre) oder abgeleitet vom althochdeutschen Personennamen Wito.
Die Pfarre Weiten war eine Gründung des Bistums Passau vielleicht schon aus dem Jahr 1050. Sie war die Mutterpfarre für fast das gesamte Waldviertel. Die Pfarrer wurden im beginnenden 12. Jahrhundert noch als Archidiakon (=erster Stellvertreter des Bischofs) angeführt, was auf die große Bedeutung der Pfarre schließen lässt. 1432 wurde sie dem Kollegiatsstift Vilshofen unterstellt. Nach dessen Aufhebung 1804 wurde sie landesfürstliche Pfarre.
Im 11. Jahrhundert dehnten die Tengling-Peilsteiner, die bereits große Besitzungen im Melk- und Pielachtal hatten, ihren Grundbesitz auf Teile des Weitentales aus. Östlich von Weiten hatten die Formbacher Besitz und der Rest gehörte dem Markgrafen. Der ältere Teil der Siedlung mit einer Feste muss im Bereich der heutigen Kirche und des Pfarrhofes angenommen werden. Als die Verwaltung jedoch auf die nahe Mollenburg (nordwestlich des Marktes) verlegt wurde, unter dessen Herrschaft der Ort stand, verlor der Weitener Ansitz seine Bedeutung.
Weiten wurde spätestens 1313 als Markt – eine Markterhebungsurkunde ist nicht überliefert – bezeichnet und die starke (seit 1141) ansässige Judenkolonie mit eigenem Bethaus nördlich des Chores unterstrich seine überregionale Geltung. Der Wochenmarkt wurde am Donnerstag abgehalten. Es gab drei Jahrmärkte (17. Jänner, 16. Mai und 2. November). Es gab kleine Landwirtschaften, Handwerk und zahlreiche Weingärten. Im 14. Jahrhundert gab es große Katastrophen wie die Pest und Ernteausfälle. Die Bevölkerungszahl nahm drastisch ab, ganze Dörfer wurden verlassen. 1473–1482 sicherte man den alten Siedlungsbereich mit einer Ringmauer und den Markt mit einer Hecke und zwei Toren. In dieser Zeit könnte auch anstelle der alten Burganlage der befestigte Kirch- und Pfarrhofkomplex entstanden sein. Aus der Mitte des 15. Jahrhunderts hat sich die von der Herrschaft Mollenburg erlassene „Gerechtigkeit“ (= rechtliche Aufzeichnung) für Markt und Herrschaft erhalten.
Die neue Lehre Martin Luthers erreichte um 1560 das Weitental und fand hier, gefördert durch die Herren von Roggendorf auf Pöggstall, die Herren von Artstetten und von Leiben, starken Zulauf. Es gab lutherische Prädikanten und katholische Priester, die protestantisch wurden, wie Georg Höpp. Die Lutheraner bauten sich ein Bethaus und errichteten südlich der Kirche einen eigenen Friedhof, der zwischenzeitlich aufgelassen und als Obstgarten verwendet wurde, ehe dieser Lutherische Freythof als allgemeiner Friedhof genutzt wurde. Die Familien Lindegg (Mollenburg) und Hoyos (Persenbeug), die katholisch geblieben waren, traten für eine Rekatholisierung ein. Caspar von Lindegg holte Melchior Khlesl, der sich vom 22. Dezember 1577 bis 12. Jänner 1578 auf der Mollenburg aufhielt. Daraufhin wurden in den umliegenden Pfarren wieder katholische Gottesdienste gehalten; Franziskaner und Kapuziner hielten in allen Pfarren Volksmissionen ab.
Das Weitental mit dem südlichen Waldviertel war seit der frühen Neuzeit, insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert, wichtigster Holzversorger für die großen Hauptstädte der Monarchie wie Wien und Budapest. Diese Funktion wusste Joseph Edler von Fürnberg als Holzmagnat bewusst zu fördern und zu nutzen. Durch die Errichtung des Eisenbahnnetzes verlor das Holzflößen mehr und mehr an Bedeutung, gleichzeitig ersetzte die Braunkohle zunehmend das Holz als Heizmaterial.
1809 brachten die Franzosen das Weitental in Bedrängnis, da Truppen immer wieder Proviant forderten. Es kam zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Brandschatzungen. In den 1830er Jahren errichtete man die Weitentalstraße, indem man die Trasse in den Felshang des Jauerlingmassivs verlegte. 1889 wurde in Weiten eine Darlehenskasse (Raiffeisen) gegründet, 1900 wurde der Telegrafendienst und 1915 der Telefondienst eingerichtet. Am 1. Mai 1923 wurde der Postautobusverkehr zwischen Pöggstall und Melk aufgenommen.
In Weiten lebten vor dem „Anschluss“ vier jüdische Familien, zwei konnten noch rechtzeitig auswandern. In unmittelbarer Nachbarschaft der Felsensteins wohnte von 1941 bis 1944 die Schwester Adolf Hitlers Paula mit ihrem (körperlich behinderten) Cousin Eduard Schmidt als Paula Wolf. Mit Kriegsende wurde sie nach Berchtesgaden gebracht und starb 1960. Eduard Schmidt blieb in Weiten, bis er 1945 von russischen Soldaten nach Russland deportiert wurde. 1946 wurde die 12er Glocke aus dem 14. Jahrhundert feierlich in Weiten empfangen und im Glockenturm aufgehängt. Sie war Ende 1944 nach Hamburg zum Einschmelzen abtransportiert worden, wozu es aber nicht mehr gekommen war. Von 1949 bis 1963 gab es eine landwirtschaftliche Fortbildungsschule in Weiten, die aufgrund von Schülermangel aufgelöst wurde. Seit 1998 trägt das Weitental den Titel „Tal der Sonnenuhren“, was auf eine Initiative von Schlossermeister Johann Jindra zurückgeht.