Wiener Neudorf


Gemeinde Wiener Neudorf

Die Eumig-Werke

Die Firma Eumig wurde 1919 als „Elektrizitäts- und Metallwaren-Industrie-GesmbH“ in Wien-Mariahilf eröffnet: Seine Gründerväter waren Karl Vockenhuber, Alois Handler und Adolf Halpern. Die ersten Produkte waren Feuerzeuge und Zigarettendosen. Schon 1924 startete man mit dem Bau von Rundfunkempfängern – dem „Low Loss Detektor Empfänger“ und dem „Eumig Baby“. Vier Jahre später begann die Firma ihre technische Entwicklungsarbeit auf das neue Medium „Film“ auszuweiten. Die ersten Filmprojektoren und -kameras kamen auf dem Markt. Von der „Eumig C 3“ Serie – zwischen 1937–1939 und 1948–1959 produziert, wurden 300.000 Stück produziert. Die „Eumig C 4“, die ebenfalls 1937 vorgestellt wurde, war die erste Amateur-Filmkamera der Welt mit elektrischem Antrieb.

Während der NS-Zeit gehörten zum Produktionsfeld Eumigs auch der Volksempfänger „VE 301 dyn“ und der „Deutsche Kleinempfänger DKE 38“. Für die deutsche Wehrmacht produzierte das Werk Batteriemotoren, Frequenzmesser und Zündgeräte für Seeminen. Die Zahl der Beschäftigten war bis 1941 auf 1.000 gestiegen. Als die Luftangriffe auf Wien zunahmen, wurden gegen Kriegsende die Maschinen von Wien nach Micheldorf in eine kleine Betriebsstätte verlegt, wo man nach dem Ende der Kampfhandlungen gleich wieder mit der Produktion begann: Zunächst stellte man Elektrokochplatten, Heizstrahler, Ölbrenner, Schuheisen usw. her.

In Micheldorf entwickelten die Techniker auch den ersten Fotoapparat: 1951 erblickte hier die „Eumigetta 1“ das Licht der Welt. Als Filmmaterial benötigte man Rollfilme. Das Negativformat war 6x6. Nach 12 Aufnahmen war Schluss. Ein neuer Film musste eingelegt werden. 9.600 Kameras wurden produziert. Ihr Preis betrug 396 Schilling. Nur wenige konnten sich diesen Luxus leisten. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen betrug zu dieser Zeit in der Land- und Forstwirtschaft etwa 687 Schilling, im Baugewerbe 1234 Schilling.

Zwei Jahre später kam ein verbessertes Modell auf den Markt, die „Eumigetta 2“, deren Optik ausgefeilter war. Allerdings schlug sich dies auch im Preis nieder, der 540 Schilling betrug. Insgesamt wurden von diesem Modell, das es in Schwarz und Rot gab, 23.913 Stück verkauft. Schon 1954 wurde die Produktion wieder eingestellt. Man konzentrierte sich in der Folge auf Radios, Filmprojektoren und -kameras. Das erfolgreichste Radiogerät war die „Eumigette“, von der ab 1955 bis 1961 mehr als 500.000 Stück produziert wurden. Sie besaß das magische Auge, dessen Farbe die Qualität der Senderwiedergabe anzeigte, einen Diskantschalter für Bass und Höhen sowie drei Drucktasten für Ein/Aus, MW und UKW. 

Die Produktionsanlagen waren ausgelastet, die Auftragsbücher voll. So entschloss sich die Firmenleitung zum Bau neuer Produktionsstätte u.a. in Wiener Neudorf. Die Pläne lieferte der Wiener Architekt Oswald Haerdtl, Mitglied des Werkbundes. Das Werk in Wiener Neudorf war das größte Werk der Eumig-Werke.

Die Eumig-Werke zeichneten sich nicht nur durch technische Neuerungen aus. Sie waren auch führend im Bereich der Sozialleistungen. Schon 1953 wurde ein Werksarzt eingestellt. Zu seinen Aufgabenbereich gehörte auch die Beratung u.a. über die Verhütung von Arbeitsunfällen oder die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze in den Produktions- und Fertigungshallen. Die nach Kriegsende eingerichtete Werksküche versorgte 1959 an die 1.100 Personen in Wien und im Zweigwerke Wiener Neudorf. Arbeitskleidung wurde zur Verfügung gestellt und in der firmeneigenen Wäscherei gereinigt. Eumig war der erste Betrieb, der bereits 1956 die 40-Stunden-Woche ohne Lohneinbußen einführte. Die Initiative ging von der Geschäftsführung aus. Im selben Jahr wurde ein Betriebs-Sport-Verein (BSV) gegründet, der sich um die sportlichen und kulturellen Aktivitäten der Mitarbeiter*innen kümmerte. Er organisierte Sportgruppen genauso wie Briefmarkensammler oder Schachspieler und veranstaltete Theateraufführungen und Werksbälle. Für die Pensionist*innen gab es den „Klub der Pensionisten“.

In der Kamera- und Projektorenfertigung setzten die Eumig-Werke seit 1956 auch Behinderte ein. 1976 waren insgesamt 112 behinderte ArbeitnehmerInnen angestellt. Sehbehinderte arbeiten in der Fertigung und waren in der Telefonzentrale tätig. 1965 führte die Geschäftsleitung eine freiwillige Abfertigung bei Erreichen der Altersgrenze ein. Schließlich beschlossen die geschäftsführenden Gesellschafter Ing. Karl Vockenhuber und DDr. Raimund Hauser 1974 sämtliche bei Eumig beschäftigte Arbeiter*innen in das Angestelltenverhältnis zu übernehmen.

Nach Einstellung der Produktion von Fotoapparaten konzentrierte sich die Entwicklungsarbeit auf Filmkameras und -projektoren. 1962 wurde daher auch die Radioproduktion geschlossen und an die Houben-Elektro-Akustik (HEA) verkauft. Auf dem Filmkamerasektor erschien 1956 die „C 16“ für 16-mm-Filme auf dem Markt. Für die seit 1965 von Kodak produzierten Super-8-Filmen entwickelte Eumig die Filmkamera „Viennette Super-8“ (100.000 Stück) und dazu passende Projektoren. 1971 folgte die Filmkamera „Mini“ mit etwa 500.000 Stück. 1975 war Eumig weltweit der größte Projektorenhersteller mit 5.000 Beschäftigten.

In Wiener Neudorf entstand seit 1971 eine neue Firmenzentrale – ein 10geschossiger Bau, heute als Palmers-Hochhaus bekannt. Am 25. September 1974 wurde das Gebäude feierlich eröffnet.

Der Anfang von Ende begann 1976. Polaroid wollte nach seiner erfolgreichen Sofortbildkamera auch einen 8mm-Sofortbildfilm auf den Markt bringen. Als Partner für Kamera und Projektor holte Polaroid Eumig ins Boot. Der Vertrag wurde 1976 abgeschlossen. Zwei Jahre später wurde er von Polaroid gekündigt. Eumig musste 1.000 Beschäftigte entlassen. Neue Geschäftsfelder wurden nun dringend gesucht. Eumig brachte ein 3-Kopf-HiFi-Kassettendeck „Metropolitan CCD“ auf den Markt und eine Version mit Tuner und Verstärker unter den Namen „Metropolitan CC“. In Fohnsdorf errichtete Eumig ein Werk für Leiterplatten und Werkzeugbau. Der nächste Fehlschlag war das Engagement in das von BASF vertretene Videosystem LVR. Eumig entwickelte dafür einen tragbaren Videorekorder. Da sich LVR nicht durchsetzen konnte, wurde die Weiterentwicklung gestoppt. 1979 bekam das neue Kassettendeck Eumig FL-1000uP den „Award for Design and Engineering“ der Consumer Electronics Show (CES) in Chicago (USA). Im selben Jahr kam eine wasserdichte Super-8-Kamera „Nautica“ heraus, die Tauchgänge bis 40 Meter erlaubte. Noch 1980 stellte Eumig zwei Kameras für Super-8-Tonfilm vor. Der Niedergang war aber nicht mehr zum Stoppen. 1980 übernahm die neue Länderbank Geschäftsführung die Leitung der Werke und versuchte eine Sanierung, die letztendlich scheiterte. Der 1981 angestrebte Ausgleich kam nicht zustande. Der Konkurs musste angemeldet werden. Am 15. September 1981 wurden die Schlüssel dem Masseverwalter übergeben. – Damit endete eine Erfolgsgeschichte, die 1919 begonnen hatte. Heute erinnert an diese Erfolgsgeschichte das eumigMuseum im Alten Feuerwehrhaus.