Ortsgeschichte
Die Brau- und Messestadt Wieselburg liegt am Zusammenfluss von Großer und Kleiner Erlauf. Die verkehrsmäßig günstige Lage an der Gabelung, mittelhochdeutsch Zwisel, gab dem Ort nicht nur den Namen, sondern prägte auch seine bis in die Frühzeit zurückreichende Geschichte. Neolithische, bronze- und eisenzeitliche Funde bezeugen eine frühe Besiedlung der Gegend. Aus der Römerzeit gibt es zwar Streufunde, doch es lassen sich keine Spuren einer geschlossenen Besiedlung feststellen.
Ausgangspunkt der mittelalterlichen Siedlungsentwicklung wurde die Ende des 10. Jahrhunderts auf dem Kirchenberg zum Schutz vor den Ungarn errichtete Burg. 976/79 schenkte Kaiser Otto II. Bischof Wolfgang von Regensburg den Platz Zuisila, um ein castellum zu errichten. In der Folgezeit entstand hier eine umwallte Fluchtburg, zu der im 11. Jahrhundert ein mächtiger rechteckiger Wehrturm und die um 990 erbaute St. Ulrichskirche gehörten. Das „Ottonische Oktogon", wie der Zentralbau mit der achteckigen, freskengeschmückten Kuppel auch genannt wird, gehört zu den ältesten Bauwerken der Babenbergerzeit. Die Freskenausstattung ist das früheste in Österreich erhaltene Beispiel ottonischer Monumentalmalerei. Ende des Mittelalters wurde die Kirche zum Chor der um 1500 errichteten spätgotischen Hallenkirche umgebaut, die heute die Eingangshalle des modernen Kirchenneubaus (1953-1956) bildet.
Bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts unterstand der Kirchenberg dem Bistum Regensburg. 1107 wurde die Ulrichskirche gemeinsam mit der Mutterpfarre Steinakirchen dem regensburgischen Eigenkloster Mondsee übertragen, 1235 wurde sie selbstständige Pfarre. Die auf dem Kirchenberg entstandene Altsiedlung Berg entwickelte sich zum Marktort und begründete die Wieselburger Jahrmarkttradition. Erstmals 1443 Markt genannt, hatte Berg bis in das 19. Jahrhundert das Recht, drei Jahrmärkte abzuhalten, bis 1918 zwei.
Die Siedlung Wieselburg am linken Erlaufufer entstand im 13. Jahrhundert im Gebiet nördlich des Zwiesels, das seit 1241 zum Bistum Passau gehörte. Sie entwickelte sich um einen planmäßig angelegten Straßenplatz und gehörte pfarrlich nicht zu St. Ulrich, sondern zu Petzenkirchen. Das Marktschloss an der Ostseite wurde vermutlich ebenfalls im 13. Jahrhundert errichtet, seine heutige Gestalt erhielt es unter Kaiser Franz I., der es 1823 erwarb. Im 13. Jahrhundert wurden auch die heute zu Wieselburg gehörenden Schlösser Rottenhaus und Perzlhof als Adelssitze errichtet. Schloss Rottenhaus wurde bis in das 15. Jahrhundert „Haus" genannt und diente in der frühen Neuzeit als Zufluchtsort. Seine heutige Gestalt ist eine im Kern barocke Anlage, die sich aber nur mehr teilweise erhalten hat. Schloss Perzlhof geht auf einen um 1820 veränderten frühneuzeitlichen Bau zurück.
Ab dem 16. Jahrhundert hatte Wieselburg durch seine Lage an der Dreimärktestraße Anteil am Eisen- und Provianthandel mit dem Erzberg und wird 1586 erstmals Markt genannt. Bis zur Industrialisierung war der Markt von Landwirtschaft und Gewerbe geprägt. Besondere Bedeutung hatte das Müllerhandwerk mit mehreren auf das Mittelalter zurückgehenden Mühlen. Von größter Bedeutung für die Positionierung als Wirtschaftsstandort war aber das Brauergewerbe, das in Wieselburg eine alte, über die erste urkundliche Nennung eines Brauers 1650 zurückreichende Tradition hat. Seit Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts war das Brauereigebäude im Markt eine Brauerei, der sich nach ihrer bedeutenden Erweiterung Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche andere Brauereien anschlossen. 1921 kam es zum Zusammenschluss mit vier weiteren Betrieben zur Braubank AG, seit 1925 Österreichische Brau-AG. Nach der Neugestaltung der Brauerei 1949/1956 errichtete die Brau AG 1971 nordöstlich der Stadt eine neue Großbrauerei. Heute zählt die Wieselburger Brauerei zu den bedeutendsten Produktionsstätten Europas.
Nicht nur die Brauerei förderte den Zuzug auswärtiger Arbeitskräfte. Verkehrslage, Wasserkraft und Arbeitskräfte boten im 19. Jahrhundert günstige Voraussetzungen für die Ansiedlung von Betrieben und spezialisierter Handwerker aus der ganzen Monarchie. Der Markt wuchs Ende des 19. Jahrhunderts fast um das Doppelte. Die Tradition des Jahrmarkts wurde 1928 als Ausstellung für Handel, Gewerbe, Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft, verbunden mit dem Wieselburger Volksfest, zeitgemäß fortgesetzt und begründete Wieselburgs überregionale Bedeutung als landwirtschaftliches Zentrum. 1929 wurde das ehemalige Schloss Rottenhaus zum Verwaltungssitz der Landwirtschaftlichen Bundesversuchswirtschaft GmbH, seit 1934 ist im nahen Schloss Weinzierl die älteste landwirtschaftliche Bundeslehranstalt in Österreich - das Francisco-Josephinum - untergebracht, 1949 wurde die Bundesanstalt für Landtechnik in Rottenhaus gegründet, 1974 das Wieselburger Volksfest in „NÖ Landwirtschaftsmesse" umbenannt.
Am 8. April 1976 wurde der Markt, zu dem seit 1913 Teile der Ortsgemeinde Mitterwasser mit Berg und Schacha sowie die Gemeinde Rottenhaus gehören, zur Stadt erhoben. Mit Bescheid vom 27. April 1976 verlieh die Niederösterreichische Landesregierung der Stadtgemeinde ein Wappen:.” Ein durch einen silbernen Querbalken von blau auf schwarz geteilter Schild, der in blauem Feld eine aus der Schildesteilung wachsende, über Eck gestellte, gequaderte silberne bzw. an den vorderen Flächen goldene Burg, mit ebensolchen Turm mit schwarzem Tor und Fenstern, sowie roten Dächern und in seinem schwarzen Feld zwei silberne mit blauem Wellenbalken belegte sich vereinigende Flüsse zeigt. Die vom Gemeinderat festgesetzten Gemeindefarben Blau-Weiß-Schwarz wurden genehmigt. Im selben Jahr erwarb die Stadtgemeinde von der Bundesgebäudeverwaltung das Marktschloss und ließ es bis 1994 umfangreich renovieren. Seither beherbergt das Schloss neben Wohnungen und Geschäftslokalen auch das neu eingerichtete Museum für Ur- und Frühgeschichte.