Wullersdorf


Gemeinde Wullersdorf

Ortsgeschichte

Nördlich von Hollabrunn liegt die Marktgemeinde Wullersdorf. Das heutige Gemeindegebiet umfasst die Katastralgemeinden Aschendorf, Grund, Hart, Hetzmannsdorf, Immendorf, Kalladorf, Oberstinkenbrunn, Maria Roggendorf, Schalladorf und Wullersdorf mit Raffelhof.

Reiche Funde belegen eine Besiedlung seit der Mittelsteinzeit. Nordöstlich von Immendorf befindet sich beispielsweise eine der größten dreifachen mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen; in Oberstinkenbrunn wurden Klingen, Klingenschaber, Rundschaber und Abschlagstücke gefunden und am Fuße des Galgenberges ein bronzezeitlicher Griffenplattendolch. In Maria Roggendorf legte man ein Gräberfeld mit sieben Skeletten und Grabbeigaben frei.

Im Zuge der deutschen Ostkolonisation des 11. Jahrhunderts wurde das Gebiet relativ geschlossen einer bäuerlichen Besiedelung zugeführt. Die übermäßig vielen Ortsnamen auf -dorf weisen auf grundherrliche Gründungen hin, die meist den Namensgeber als Vorsatz anführen, wie auch bei Wullersdorf. Der Ort ist aus einer Kirchensiedlung entstanden, die zum Mehrstraßenort erweitert wurde. Die Pfarre ist eine der niederösterreichischen Mutterpfarren, die ins frühe 12. Jahrhundert, vielleicht sogar schon ins frühe 11. Jahrhundert datiert werden kann. Die Kirche wurde 1108 durch den Passauer Bischof Ulrich geweiht. 1113 übertrug Leopold III. die Pfarre dem Stift Melk.  

Grundherren waren zunächst die Grafen von Cham-Vohburg. Ihnen folgten im 12. und 13. Jahrhundert die Kuenringer. Nach dem Adelsaufstand von 1296 kam die Herrschaft in landesfürstlichen Besitz. Vermutlich bekam der Ort zu dieser Zeit als Kammergut den Blutbann zugesprochen. Dann folgten die Wallseer (ab 1315), die Eitzinger (ab 1441). 1495 verkaufte Kaiser Maximilian I. den Markt und seine Gerichtsbarkeit an Heinrich Prüschenk, Freiherr von Stettenberg und Graf von Hardegg. Schließlich wurde das Stift Melk 1651 Grund- und Gerichtsherr und blieb dies bis zur Aufhebung der Grundherrschaft 1848. Aus dem Jahr 1763 hat sich das „Bannbuch“ von Wullersdorf in einer Handschrift des 18. Jahrhunderts erhalten. Der Pranger aus dem 15. Jahrhundert erinnert an die Ausübung der Niederen Gerichtsbarkeit.

Seit 1411 war Wullersdorf offiziell Markt. Eine erste Nennung als forum (Markt) erfolgte aber bereits 1113/14. 1535 verlieh König Ferdinand I. das Marktwappen. Jahrmärkte wurden am Montag nach Maria Lichtmess, am Samstag nach St. Georg, sowie am Montag nach St. Ägydi und am Tag nach Allerheiligen abgehalten. Im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts waren Hussiten und ungarische Söldner im Ort. Seit 1499 bestand in Wullersdorf eine Pfarrschule. Aber bereits 1377 gab es Wullersdorfer Studenten an der Universität Wien. Magister Jacobus de Wullersdorf und Magister Thomas Wölfel lehrten beide an der artistischen (philosophischen) Fakultät und hatten in der Mitte des 15. Jahrhunderts das Rektorat inne.

In den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts begann man mit der Planung der neuen Pfarrkirche. Zunächst war Jakob Prandtauer damit befasst. Vollendet wurde sie 1733 durch Franz Munggenast. Der Fassade mächtigen basilikalen Emporenkirche wurden 1864/65 Fassadentürme seiltlich angebaut. Seitlich der Kirche liegt der Karner, in im Kern romanischer Rundbau, der im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts barockisiert wurde. Die erhöht auf einem Plateau thronende Kirchenanlage wird mit dem Marktplatz durch eine axiale Stiegenanlage verbunden, die durch das Benefiziatenstöckl (ehem. Rathaus) führt.   

1809 soll Napoleon selbst im Ort (Haus Nr. 35) Quartier bezogen haben, wie im „Wullersdorfer Gedenkbuch" verzeichnet wurde. Vernichtete die Cholera bereits 1831/32 viele Menschenleben in Immendorf und Kalladorf, erreichte die Seuche erst 1836 Wullersdorf. Innerhalb von drei Monaten mussten 105 Tote begraben werden. Die Marktgemeinde legte daher einen neuen Friedhof außerhalb des Ortes an, da der Platz um die Kirche zu klein geworden war. Während der Planungen für eine Neuordnung der Verwaltung gelangte Wullersdorf 1850 in die engere Auswahl um den Sitz des k.k. Bezirksamtes, aus wirtschaftlichen Gründen wurde diese Funktion aber Oberhollabrunn (dem späteren Hollabrunn) zugesprochen. Die durchziehenden Preußen requirierten nach der Schlacht von Königgrätz (1866) Wein, Brot, Hafer und Heu in der Umgebung und versetzten die in den Wald fliehende Bevölkerung in Angst und Schrecken. Im Gasthaus Holzer wurde ein Lazarett errichtet. 1871 wurde Wullersdorf in das Bahnnetz der Nordwestbahn einbezogen, obwohl es von Seiten des Stiftes Melk und der Gemeinden Wullersdorf und Guntersdorf zu Widerstand kam.

Mit Bescheid vom 18. Juni 1974 verlieh die Niederösterreichische Landesregierung der Marktgemeinde eine Wappenbesserung: In Gold ein schwarzer rechtsgewendeter Adler mit einem von Blau auf Gold geteilten Brustschild. Die aus dem Wappen abgeleiteten Gemeindefarben Blau-Gelb-Schwarz wurden genehmigt. 2001 brach ein auf dem Hauptplatz geparktes Auto plötzlich durch den Asphalt ein. Dieses Ereignis brachte eine Fluchtanlage (Gangsystem) aus dem 11. Jahrhundert zum Vorschein, die in der Folge saniert und als „Erzherzog Fertinant-Keller“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. In ihrer größten Ausdehnung reichte die Anlage vom Kirchenplatz bis zur heutigen Bahnstraße.