Ortsgeschichte
Die alte Kuenringerstadt Zistersdorf ist eine der vier Gerichtsbezirke Gänserndorfs (neben Gänserndorf, Groß-Enzersdorf und Marchegg). Das Gemeindegebiet umfasst seit der Gemeindezusammenlegungen 1971/2 heute die Ortschaften Blumenthal, Eichhorn, Gaiselberg, Gösting, Großinzersdorf, Loidesthal, Maustrenk, Windisch Baumgarten und Zistersdorf. Zistersdorf ist die größte Gemeinde des Bezirkes Gänserndorf.
Aus der Umgebung (Gaiselberg, In den Kreutten, Altenbergen, Mausfeld, Blumenthal) sind Streufunde aus dem Neolithikum dokumentiert, Siedlungsreste aus mittelneolithischer Zeit (Lüßfeld, im Hof des Hauses Nr. 80), bronzezeitliche Streufunde (Sandgrube Wenti), sowie Grab-, Siedlungs- und Streufunde aus der Urnenfelderzeit. Aus der Zeit des Großmährischen Reiches (9.-10. Jahrhundert) gibt es im Bereich des Alten Marktes slawische Gräberfunde, womit eine Besiedelung nachweisbar ist. Der Name Zistersdorf selbst leitet sich vom slawischen Personennamen Čystěj (der Geehrte) ab. Im nahen Gaiselberg (Gais oder Geis ist das keltische Wort für heilig oder Speerträger) wurde eine mittelalterliche Hausberganlage mit kegelstumpfförmigem Mittelwerk, drei Gräben und Wällen ergraben. Drei Bauphasen ließen sich ermitteln, die älteste au der Zeit um 1150, die jüngste Anlage wurde Mitte des 16. Jahrhunderts zerstört.
Die erste urkundliche Erwähnung (Cystestorf, Zistinesdorf) erfolgte 1160, als Bischof Konrad von Passau die Kirche Maria am Moos zur Pfarrkirche (bis 1811) erhob, die kurz davor von Albero von Kuenring gestiftet worden war. Sie war einst eines der ältesten (frühmittelalterlichen) Brunnen-/Quellenheiligtümer Niederösterreichs, wurde Mitte des 12. Jahrhunderts zur romanischen Ostturmkirche ausgebaut; 1284 wurde die Kirche 1284 von den Kuenringern dem Stift Zwettl geschenkt. Es folgt eine gotische Erweiterung zur dreischiffigen Anlage.
Von Mitte 12. bis Ende 14. Jahrhundert waren die Kuenringer aus der Dürnsteiner Linie als Herrn von Zistersdorf. Lehensherren waren die Pernegger, von denen die Lehensherrlichkeit im 1. Viertel des 13. Jahrhunderts wieder an den Landesfürsten fiel. In dieser Zeit wurde die Siedlung mit einer Burg, Ringmauer (bis 14 m hoch) mit zwei Toren und einem Wehrgraben versehen. 1284 bekam Zistersdorf das Stadtrecht verliehen. 1291 ist erstmals der Weinbau erwähnt, der neben der Landwirtschaft Haupterwerbszweig der Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert bleibt.
1319 wird erstmals ein Jude (Marchart der Jude) genannt. Zahlreiche jüdische Händler aus Nikolsburg besuchten die Zistersdorfer Märkte (seit 1399: Jahrmarkt zu Jakobus, 25. Juli; seit 1487: Jahrmarkt zu St. Nikolaus, 6. Dezember; weitere zwei Jahrmärkte kommen dazu; 1795: Samstag-Wochenmarkt). Nach den Kuenringern wurden die Herren von Pottendorf (bis zu ihrem Aussterben 1487) mit Zistersdorf belehnt. Die Grenzfeste überstand im Jahr 1428 Hussiteneinfälle. Noch heute erfreut sich der „Hürtertanz“ großer Beliebtheit: Als der Hussitenführer Hlavil Zistersdorf besetzte, ließ er dessen Bewohnern die Füße blutig peitschen und sie eine Polka, den „harten Tanz“, tanzen. 1486 fielen die Ungarn in Zistersdorf ein, die Truppen Matthias Corvinusʼ hielten die Stadt bis 1491 besetzt.
In der Folge war Zistersdorf landesfürstliches Kammergut und in den Händen verschiedener Pfandinhaber, unter anderem Konrad von Pappenheim („Pappenheimscher Vertrag“, 1568), Erasmus von Landau (Protestanten-Aufstände) und Rudolf von Teuffenbach. Zwischen 1627 und 1640 stiftete Teuffenbach als gegenreformatorische Maßnahme das Franziskanerkloster. Die in der Mitte der Stadt gelegene Franziskanerkirche wurde 1811 zur Stadtpfarrkirche erhoben und ist der Kreuzerhöhung geweiht. Ausgestattet ist sie mit Altarbildern von Bartolomeo Altomonte (Tod des Heiligen Joseph, Anna Maria Lesen lehrend) und einem Gnadenbild aus dem 19. Jahrhundert, einer Kopie nach Lukas Cranachs Marienbild in einer der Seitenkapellen, der sogenannten Weinbergkapelle. Der viergeflügelte, zweigeschossige Bau des ehemaligen Franziskanerklosters, welcher unmittelbar an die Kirche anschließt, dient heute als Pfarrhof.
Rudolf von Teuffenbach war Feldmarschall im Dreißigjährigen Krieg in der Armee Wallensteins und ließ um 1645 ein Spital für die Fürsorge von 30 Personen errichten, das 1808 nach einem Brand aufgelassen wurde. Zistersdorf hatte wie viele Orte des Weinviertels unter den Kriegszügen der Neuzeit zu leiden: 1645 waren es die Schweden, 1683 osmanische Reiterscharen, die bis Zistersdorf vordrangen. 1706 unterlag die Stadt den Kuruzen unter der Führung Graf Simon Forgatsch/Forgács, die mit 16.000 Mann den Ort plünderten und rund 400 Menschen im Schloss töteten. Überlebende Einwohner führte man in Gefangenschaft ab. Anfang des 18. Jahrhunderts besaßen die Juden im Spital ein Warenlager. Sie nannten sich „Hofjuden des Grafen von Althan“, dessen Protektion sie gegen das jährliche Schutzgeld genossen und wofür sie fast während des ganzen Jahres in der Stadt und der Umgebung hausieren konnten. 1938 lebten in Zistersdorf ca. 13 jüdische Familien.
Zu Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Wallfahrtskirche Maria am Moos barockisiert. Bedeutende Barockkünstler wurden dazu engagiert: Paul Troger (Hochaltarbild Maria Himmelfahrt von 1753, Annenaltarbild von 1758), Ferdinand Kain (Seitenaltäre) und Jakob Schletterer (Hochaltar). An die Pestjahre 1679 und vor allem 1713 erinnert die barocke Pestsäule (Dreifaltigkeitssäule) am ehemals rechteckigen Stadtplatz, die 1747 von den Bildhauern Johann Bierner und Johann Wikh geschaffen wurde. 1746 gestattete Graf Althan die Errichtung einer Schießstätte, im selben Jahr wurde eine Schützengesellschaft gegründet. 1850 wurde diese reaktiviert und nennt sich seit 1860 Schützenverein von Zistersdorf.
Das Schloss im Südwesten der Stadt ist im Kern mittelalterlich und wurde durch bauliche Veränderungen am Übergang vom 16. ins 17. Jahrhundert und im 18. Jahrhundert zur viergeflügelten Anlage ausgebaut. Zur Zeit der Franzosenkriege – nach der Schlacht von Aspern 1809 – wurde das Zistersdorfer Schloss als Militärspital genutzt. Auch 1866 während der Besetzung durch die Preußen und ab 1945 beherbergte das Schloss die jeweiligen Besatzungsmächte. Bis 1810 blieb die Stadt unter der Herrschaft der Grafen Althan. Das Schloss ging danach als k. und k. Fondsgut in den Besitz der Theresianischen Ritterakademie über, ehe es 1927 an die Stadtgemeinde verkauft wurde und heute als Landesberufsschule (Heizung, Sanitär, Gas- und Wasserinstallation, Spengler und Kupferschmiede) genutzt wird.
Um 1835 standen in Zistersdorf 290 Häuser, wie Schweickhardt in seiner Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens beschreibt, in denen 421 Familien lebten. Der Viehstand belief sich auf 70 Pferde, 224 Kühe, 182 der Gemeinde und 550 der Herrschaft gehörigen Schafen, 20 Ziegen und 100 Schweine. In der Stadt gab es eine Apotheke, einen Wundarzt, 3 Kaufleute, eine Eisenhandlung, einen Tabak- und Stempelverlag, ein Bräuhaus, 2 Viktualienhandlungen und 2 Wirtshäuser. Die Bürger durften vier Jahrmärkte abhalten: am Montage nach Misericordiä, am St. Jacobstage, am Montage nach Maria Geburt und am St. Nicolaitage. An jedem Samstag hielt man einen Wochenmarkt ab, der sehr stark besucht wurde. Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Zistersdorf eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde mit 1. Jänner 2013 aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Gänserndorf zugewiesen.
Am östlich Stadtrand wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Städtische Kaiser Franz Josephs Jubiläums-Schwimm-und Bade-Anstalt errichtet, die zu den ältesten Schwimmbäder Österreichs gehört. Die ersten Erdölfunde im Zistersdorfer Raum ab 1929 führten in der Folge zu einer wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierung der Region. Die erste fündige Bohrung Gösting II 1932, förderte 30 Tonnen Erdöl pro Tag. Am 16. und 26. Juni 1944 wurden die Erdölförderungsanlagen durch die Alliierten bombardiert, woraufhin es zu Engpässen in der Versorgung mit Erdöl kam. Nach 1945 unterstand die Erdölförderung der sowjetischen Besatzungsmacht. Bei den Verhandlungen um den österreichischen Staatsvertrag waren die Nutzungsrechte dieser Ölquellen Gegenstand ausführlicher Erörterungen. Die Firma Siemens und Halske Ges.m.b.H. begann 1960 mit der Errichtung eines neuen Werkes für die schwachstromtechnische Fertigung in Zisterdorf. 2009 wurde ein seit 1994 vom Müllkonzern ASA angetriebenes Projekt für eine Müllverbrennungsanlage zur thermischen Verwertung von Restmüll und Klärschlamm realisiert.