Thomas Ebendorfer


*10.8.1388 bis †12.1.1464

Biographie

Der Theologe, Historiker und Diplomat Thomas Ebendorfer entstammte einer begüterten Bauernfamilie. Er wurde in Haselbach bei Stockerau geboren, weshalb ihn seine Zeitgenossen meist Thomas von Haselbach nannten. 1408 begann er seine Studien an der Wiener Universität, erwarb erst die artistischen, dann die theologischen Grade (Dr. theol. 1428), ließ sich vermutlich 1421 zum Priester weihen und wurde 1427 Domherr von St. Stephan. Zu Herzog Albrecht V. hatte er ein besonderes Naheverhältnis. Von 1432 bis 1435 wirkte Ebendorfer als Gesandter der Wiener Universität beim Baseler Konzil, wo er besonders zu den Verhandlungen mit den Hussiten herangezogen wurde. Nach seiner Rückkehr nach Wien erhielt er wohl zum Lohn für seine Verdienste die Pfarre Falkenstein, die er noch im selben Jahr gegen die zwar weniger ertragreiche, aber Wien näher gelegene Pfarre Perchtoldsdorf tauschte.

Für den Nachfolger Herzog Albrechts, Friedrich III. (1440 König, 1453 Kaiser) war Ebendorfer in diplomatischen Diensten unterwegs, doch kam es schon im Verlauf der 40er-Jahre des Jahrhunderts in kirchenpolitischen Fragen zur Entfremdung. Während Ebendorfer im Streit zwischen Papst und Konzil für Neutralität eintrat, entschied sich Friedrich III. für Papst Eugen IV. In der Folgezeit sprach sich Ebendorfer für den jungen Ladislaus, den nachgeborenen Sohn Albrechts V. aus und damit gegen dessen Vormund Friedrich, den er aber zur Kaiserkrönung nach Rom (1452) begleitete - eine Reise, die er nur negativ erlebte. Er zog sich nun zunehmend auf sein Lehramt und die Ausarbeitung seiner Werke zurück. In den Bruderkämpfen um das Erbe des Ladislaus nach dessen Tod (1457) unterstützte Ebendorfer Erzherzog Albrecht gegen den Kaiser, verstand es allerdings, die Wiener Universität aus den Auseinandersetzungen durch eine neutrale Haltung heraushalten.

Thomas Ebendorfer, insgesamt achtmal Dekan der theologischen Fakultät und zweimal Rektor der Universität, starb in Wien und ist in der Kirche von Perchtoldsdorf begraben. Er war mit seinen über 150 Werken einer der fruchtbarsten Autoren des Spätmittelalters, blieb aber dem mittelalterlichen Weltbild verhaftet, zum Humanismus hatte er keinen Zugang. Seine theologischen Werke wurden Standardliteratur und finden sich in vielen Nachlässen österreichischer Geistlicher, er verfasste auch zahlreiche Predigten und Ansprachen. Ebendorfer war als guter Redner bekannt, weshalb ihm häufig besonders heikle Reden übertragen wurden.

Als etwa Sechzigjähriger begann er Chroniken zu schreiben, darunter im Auftrag Friedrichs III. eine umfangreiche "Kaiserchronik". Das Grundgerüst dieser Welt- und Reichschronik alten Stils bildeten Kaiserbiografien mit moralisierenden Anweisungen für den königlichen Leser. Dieser war allerdings von dem umfangreichen Opus nicht sonderlich erbaut und wünschte eine Kurzfassung. Das ursprünglich für die österreichische Geschichte gedachte VII. Buch wurde daher eine kurze Reichsgeschichte. Aus der Materialsammlung entstand auch Ebendorfers österreichische Chronik, die "Cronica Austrie", die er allerdings nicht mehr dem Kaiser widmete. Für die Darstellung der Vergangenheit bis knapp vor seine Geburt benutzte er die Fabelgeschichten der von ihm ins Lateinische übersetzten "Chronik der 95 Herrschaften", dann erst folgt die persönliche Berichterstattung, die bis 1462 reicht. Die "Cronica Austrie" ist das persönlichste Werk Ebendorfers, in dem er seine Gedanken, Reflexionen und Befürchtungen zum Ausdruck brachte; für etliche Jahre, besonders nach 1457, ist sie die geschichtliche Hauptquelle. Anlässlich der Kanonisation Markgraf Leopolds III. (1485) wurde die "Cronica Austrie" benutzt und ihr die "Vita Leopoldi marchionis" für den Kanonisationsakt entnommen.