Seifried Helbling


*~1240 bis †~1300

Biographie

Der so genannte Seifried Helbling ist ein falscher Autorenname für einen Zyklus von 15 satirischen, aber auch lehrhaften Gedichten, die Ende des 13. Jahrhunderts entstanden und unter dem Titel "Kleiner Lucidarius" zusammengefasst werden. Der Name geht auf den ersten Herausgeber Theodor Georg von Karajan zurück, der den im Gedicht XIII erwähnten Spielmann "Sifrit Helblinc" mit dem Autor des ganzen Werkes gleichsetzte. Die meisten Texte werden in die Jahre 1283 bis 1299 datiert.

Schließt man aus den Selbstaussagen in Ich-Form auf die Biografie des Verfassers, ist er wohl um 1240 geboren und nach 1300 gestorben. Er war wahrscheinlich ein niederösterreichischer Ritter, hatte Familie und war in der Gegend um Zwettl ansässig. Vermutlich stand er in einem Lehensverhältnis zu den Kuenringern, die er mehrmals rühmend erwähnt. Er dürfte recht belesen gewesen sein, da er nicht nur die deutsche, sondern auch die lateinische Dichtung kannte. Der Verfasser vertritt die Interessen der kleinen Ritter, seine Kritik richtet sich gegen die Fürsten und großen Herren. Er gehörte offenbar nicht zu jenen, die sich den Habsburgern mit Begeisterung zuwandten. So preist er die gute alte Zeit der letzten Babenberger und beklagt den Verfall der Sitten: Bedrückung durch die Herrschenden, Raubritterunwesen, Roheit der gemeinen Leute, Verfall der Lebensart und der Poesie. Anlass zu heftiger satirischer Kritik geben vor allem Verstöße gegen soziale Normen, wie die Verachtung der heimischen Sitten durch die Österreicher, die Vernachlässigung der weiblichen Pflichten oder die Verderbtheit des Klerus. Besonders scharf wird die Verletzung ständischer Normen angegriffen. Die Kritik richtet sich gegen Bauern, die sich wie Ritter aufspielen, aber auch gegen den höheren Adel, der seine Vasallen ausbeutet und die eigenen Pflichten gegenüber dem Herzog missachtet, wobei auch konkrete Namen genannt werden.

Die Texte gehören zur Gattung der Lehrdichtung, Sprache und Reime sind mundartlich gefärbt. Die Gedichte sind teilweise Gespräche zwischen einem Herrn (Ich-Erzähler) und seinem Knappen - eine Abwandlung der alten Form des Lehrgesprächs zwischen Meister und Schüler, jedoch einfallsreich und mit viel Komik bis zur Groteske variiert durch Detailrealismen, Genreszenen und der sich verändernden Beziehung zwischen Herrn und Knappen. Der "Kleine Lucidarius" ist nicht nur ein außerordentlich bedeutsames literarisches Werk, sondern auch eine wertvolle historische Quelle der ersten Habsburgerzeit in Österreich (Druck: Joseph Seemüller, Seifried Helbling, Halle 1886).