Neidhart "von Reuental"


†~1246

Biographie

In den im Mittelalter überaus beliebten Neidhart-Liedern begegnet uns ein Dichter, der sich selbst als verarmter Ritter mit Namen "Nîthart" oder "Nîthart von Riuwental" bezeichnet. Von anderen mittelhochdeutschen Dichtern wird er ebenfalls als "her Nîthart" bezeichnet. Der Name des Minnesängers ist urkundlich nicht bezeugt. Es gab unzählige Bemühungen, der Identität des Dichters auf die Spur zu kommen. So wurde versucht, den Ort "Riuwental" (bedeutet "Tränental") zu lokalisieren und eine Biografie aus Anspielungen in seinen Texten zu rekonstruieren. Mit den örtlichen Gegebenheiten von Niederösterreich war er bestens vertraut, denn einige Lieder erwähnen Orts- und Gewässernamen aus dem Tullnerfeld und dem Wienerwald. Außerdem stand der Dichter sicher mit Herzog Friedrich II. dem Streitbaren (1230-1246) in Verbindung, da einige Bitt-, Lob- und Dankstrophen an diesen gerichtet sind. Im Lied 41 ist von einer Übersiedelung von Bayern nach Österreich die Rede, und ein Ort namens "Medelich" wird erwähnt, was einerseits als Melk, andererseits als Mödling bei Wien interpretiert wird. Neidharts Todesjahr ist nicht bekannt, er starb vermutlich vor 1246.

Die Neidhart-Lieder wurden intensiv rezipiert und weiterverarbeitet. Szenen daraus sind in den ältesten säkularen Fresken in Wien (1. Bezirk, Tuchlauben) dargestellt. Der Roman "Neidhart Fuchs" kompiliert echte Lieder und so genannte Pseudo-Neidharte zu einer schwankhaften Biografie des Ritters Neithart Fuchs, eines Hofmanns und Spaßmachers am Hof von Herzog Otto dem Fröhlichen (1301-1339), der nach mündlicher und schriftlicher Tradition an der Südseite des Stephansdomes (nahe dem Singertor) ein prächtiges Hochgrab erhalten haben soll.

Anlässlich der Graböffnung im April 2000 gab es kunsthistorische und anthropologische Untersuchungen, die zur Annahme führten, dass sowohl die Gebeine des Minnesänger Neidhart "von Reuental" als auch die des Epigonen Neithart Fuchs um 1400 in diesem Hochgrab bestattet wurden. Sie stammen auf jeden Fall von zwei etwa gleich großen Männern, deren Alter ungefähr den Lebensdaten des Minnesängers und seines Epigonen Neithart Fuchs entsprechen würde. Die vermeintlichen oder tatsächlichen Überreste der Poeten wurden vermutlich auf Wunsch Herzog Rudolfs IV. Mitte des 14. Jahrhunderts beim Bau des Doms in ein gemeinsames Grab überführt. Das Neidhartgrab wäre somit die einzige mittelalterliche Grablege von St. Stephan, die sich noch am ursprünglichen Standort befindet. Am 19. April 2002 wurde das restaurierte Hochgrab mit der lebensgroßen Figur eines Mannes enthüllt.