Erste Maifeier am 1. Mai 1890
1889 beschloss die Internationale in Paris, künftig den Ersten Mai in ganz Europa als Tag der Arbeit zu begehen. In Österreich wurde in vielen sozialistischen Vereinen beschlossen, an diesem Tag Kundgebungen für den achtstündigen Arbeitstag zu veranstalten, die Arbeitsplätze aber an diesem Tag nicht zu verlassen. Die Arbeiterschaft war allerdings uneinig, ein Teil wollte die Arbeit ruhen lassen, andere verlangten nur den Nachmittag frei oder waren gegen eine Arbeitsruhe, wie die Arbeiter in den Salcher'schen Fabriken in Harland, Stattersdorf und Viehofen. Auch die Arbeitgeber reagierten unterschiedlich, einige wollten den Arbeitern freigeben, andere drohten unter Berufung auf das Gewerbegesetz mit der Entlassung im Falle einer Teilnahme während der Arbeitszeit.
Aus Angst vor einer Revolte wurden für den 1. Mai 1890 umfassende Vorbereitungen getroffen. In den Industrieorten wurde Militär stationiert, die Freiwillige Feuerwehr in Bereitschaft gehalten und das Militär in den Kasernen zusammengezogen. Viele Geschäfte blieben geschlossen. Tatsächlich verlief dieser Tag in Wien und Niederösterreich ruhig, nirgends kam es zu Zusammenstößen mit dem Militär oder der Polizei. In Wien wurden am Vormittag über 60 Versammlungen abgehalten und der Achtstundentag, Verbot der Kinderarbeit unter 14 Jahren, Verbot der Nachtarbeit und das volle Koalitions- und Versammlungsrecht gefordert. Nachmittags zogen die Arbeiter und Arbeiterinnen - etwa 1500 Personen - in den Wiener Prater. Auch in Niederösterreich wurden vormittags Versammlungen und nachmittags Ausflüge abgehalten.
(Quelle: Landeschronik Niederösterreich, 2. Aufl. 1994, S. 317)