Frau Ava


*~1060 bis †7.2.1127

Überlieferung und Literatur

Im Gegensatz zu anderen, mehrfach abgeschriebenen Dichtungen und Werken sind die Gedichte Frau Avas kaum überliefert. Die älteste Textüberlieferung stammt aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts in der sog. "Großen Vorauer Sammelhandschrift" (Codex 276), eine im Stift Vorau um 1190 entstandene Sammelhandschrift geistlicher und weltlicher Dichtungen. Sie enthält die sog. Kaiserchronik, eine Kaisergeschichte von Julius Caesar bis zum 2. Kreuzzug, und etwa 20 deutsche Dichtungen aus der Zeit von 1050 bis 1150. Avas Werke findet sind auf den Blättern 115v-125r. Neben dem Vorauer Codex sind ihre Gedichte noch in einem Codex aus dem 14. Jahrhundert überliefert, der einst der Bibliothek der "Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften" in Görlitz gehörte und seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen ist. Wie textkritische Untersuchungen ergaben, dürften der jüngere Codex allerdings eine andere Textvorlage benutzt haben. Außerdem fehlen die Schlussverse zum "Jüngsten Gericht" und damit die namentliche Nennung der Dichterin. 1763-1765 veröffentlichte Georg Andreas Will Teile der Görlitzer Handschrift ("Johannes" und einen Teil des "Leben Jesu"), sechs Jahrzehnte später, 1830, wurde die gesamte Dichtung aus dieser Handschrift abgedruckt, der ältere Vorauer Codex und der Name Avas war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Erst 1841 entdeckte Joseph Diemer anlässlich einer Handschriftensichtung im Stift Vorau den Vorauer Codex und veröffentlichte 1849 die Gedichte Avas nach dieser Überlieferung in der Edition "Deutsche Gedichte des XI. und XII. Jahrhunderts". Erst seither, also seit etwa 150 Jahren, ist Avas Namen bekannt. In der Folgezeit entstanden immer genauere Editionen und eine umfangreiche Forschung zur Dichtung Frau Avas. Ziel der "Frau Ava-Gesellschaft für Literatur" ist es, die Erforschung des Werks der ersten deutschsprachigen Dichterin auch weiterhin zu fördern. Edition: Friedrich Maurer (Hg.), Die Dichtungen der Frau Ava (= Altdeutsche Textbibliothek 66, Tübingen 1966); Kurt Schnacks (Hg.), Die Dichtungen der Frau Ava (= Wiener Neudrucke 8, Graz 1986). Ausgewählte Literatur: zusammenfassend jüngst Ferdinand Hutz, Frau Ava - Zum 875. Todestag der ersten deutschsprachigen Dichterin, in: Unsere Heimat (2/2002) 84-96; weiters Richard Kienast, Ava-Studien I und II, in: ZfdA 74 (1937; grundlegend Peter K. Stein, Stil, Struktur, historischer Ort und Funktion. Literaturhistorische Beobachtungen und methodologische Überlegungen zu den Dichtungen der Frau Ava, in: Festschrift f. Adalbert Schmidt zum 70. Geburtstag (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 4, Stuttgart 1976); Teta E. Morris, The Gospel of Jesus Christ according to Mistress Ava (New York 1986) (mit neuhochdeutscher und englischer Übersetzung); Doris Fritsche, Frau Ava und ihre Gedichte (Phil. Dipl.-Arb. Wien 1990).