Die ersten Generationen der Kuenringer
Die Genealogie des Zwettler Stifterbuchs (Liber fundatorum), der sog. Bärenhaut, nennt drei Söhne Azzos: Ansalm, Nizzo und Albero. Sie gehörten allerdings mit etlichen anderen sicherlich zur Enkelgeneration Azzos und waren Exponenten einer eng verflochtenen Adelsgruppe zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Anselm wird in den Quellen zwischen 1100 und 1137 erwähnt, Nizzo zwischen 1100 und 1130. Zur "Kernfamilie" wurden sie erst in der späteren Genealogie gemacht. Sehr häufig haben historische Genealogien weniger mit biologischen Faktoren zu tun, sondern mit einer bewussten Auswahl bestimmter Personen zur Darstellung des familiären Selbstverständnisses.
Die Personen der Adelsgruppe aus der Enkelgeneration Azzos werden in den Quellen nach den verschiedensten Orten genannt: Gobelsburg, Zöbing, Hetzmannswiesen, Brunn, Gars, Allentsteig und später nach Purkersdorf, Schönberg, Mödling, Stronsdorf, Kamegg und Kaja. Als Ministerialen (Dienstleute) der Babenberger gehörten die "Kuenringer" der zweiten und dritten Generation zu jenen, die den Landesausbau der Markgrafen umsetzten: Herrschaft bestand in einem vielfältigen Netzwerk von Rechten, Beziehungen und Besitz, das die Personen im Land verband und umspannte und die nicht-babenbergischen Adelsfamilien zurückdrängte. Die Kuenringer knüpften dieses Netzwerk mit. Sie übernahmen Vogteien über Klosterbesitz, waren Burggrafen von Mödling, verwandt mit vielen Ministerialenfamilien um Wien und hatten zu zahlreichen Orten Beziehungen.
Auf diese Weise kamen sie im Laufe des 12. Jahrhunderts zu ihrer "Herrschaft" in der Wachau von Aggstein bis Dürnstein, die aus zahlreichen Einzelbeziehungen aufgebaut war. Sie übten zunehmend umfangreiche Aufgaben selbstständig aus, hatten eigenes Personal, schenkten für ihr Seelenheil, zunächst den selben Klöstern wie die Landesherren mit deutlichem Schwerpunkt in Göttweig, später stifteten sie selbst Klöster. Hadmar I. gründete 1137 das Zisterzienserkloster Zwettl. Er ist auch der erste, für den der Kuenringer-Namen nach dem Ort Kühnring überliefert ist (erstmals 1132). Über seinen Vetter Albero III. ging der Name weiter und wurde im Laufe des 12 . Jahrhunderts zum Familiennamen eines Adelshauses, deren Tradition von einer Generation auf die nächste weitergegeben wurde.
In der Zwettler Bärenhaut taucht dann als Deutung dieses Namens das kuenringische Ringwappen auf: der rote Ring auf weißem Grund, der "Ring des Kühnen". Dieses Wappen wurde zwar nie in rechtswirksamen Fällen geführt, ist aber wie der Name zu einem "Markenzeichen" geworden.
(Quelle: K. Brunner, Die Kuenringer, Wiss. Schriftenreihe Niederösterreich 53, 1980, S. 7ff.)