Biographie
Der gemeinsam mit seiner Gemahlin Sophie in Sarajewo erschossene Erzherzog war der Sohn des künstlerisch interessierten Erzherzogs Karl Ludwig - ein jüngerer Bruder von Kaiser Franz Joseph und Statthalter von Tirol - und seiner zweiten Frau Maria Annunziata von Neapel-Sizilien.
Franz Ferdinand wurde in Graz geboren und streng militärisch-klerikal erzogen. Seine Lehrer waren Ferdinand Graf Degenfeld, der Historiker Onno Klopp und Godfried Marschall. Seine Mutter war lungenkrank und starb, als er acht Jahre alt war. Auch er sollte als knapp 30-Jähriger an Lungentuberkulose erkranken, konnte die Krankheit aber nach mehrjähriger Behandlung ausheilen. Schon früh entwickelte sich bei ihm eine ungezügelte Jagdleidenschaft, mit neun Jahren erlegte er sein erstes Wild. 1878 wurde er Leutnant, 1888 Major, 1890 Oberst und 1899 General der Kavallerie. Ein Jahr zuvor war er Stellvertreter des Kaisers im obersten Armeekommando geworden, wobei er besonders die vernachlässigte Kriegsmarine förderte. Seit 1875 war er als Erbe von Herzog Franz V. von Modena Erzherzog von Österreich-Este. Nach dem Tod des Kronprinzen Rudolf (1889) war die Thronfolgefrage in Schwebe, erst nach dem Tod seines Vaters 1896 wurde Franz Ferdinand zum Thronfolger.
Größte Schwierigkeiten bereitete seine Heirat mit Gräfin Sophie Chotek von Chotkowa, die er 1894 kennengelernt hatte und die, wenn auch aus ältestem böhmischen Adel stammend, nicht als ebenbürtig galt. Nach dem "Familienstatut" von 1839 waren als ebenbürtig geltende Ehen nur auf wenige regierende Herrscherhäuser Europas beschränkt, zudem bedurfte jede Heirat in der kaiserlichen Familie der Zustimmung des Kaisers als Familienoberhaupt, sonst drohte der Verlust aller Titel und Apanagen. Die Einwilligung Franz Josephs in die nicht standesgemäße Heirat Franz Ferdinands blieb eine Ausnahme, für die das erste und einzige Mal das "Familienstatut" geändert wurde, wobei Sophies hochadelige Herkunft eine bedeutende Rolle spielte. Beide verzichteten aber für ihre Kinder auf das Erbrecht der Nachfolge. Sie schlossen am 1. Juli 1900 in der Schlosskapelle von Reichstadt (Böhmen) eine so genannte morganatische (nicht standesgemäße) Ehe. Am Tag der Hochzeit wurde Sophie von Kaiser Franz Joseph in den Fürstenstand erhoben und 1909 zur Herzogin von Hohenberg. Die Ehe verlief sehr glücklich, das Paar hatte drei Kinder.
Franz Ferdinand residierte im Belvedere, das sich zum zweiten Machtzentrum der Monarchie entwickelte und zum "Schlagwort" der neuen Politik wurde. Er umgab sich mit militärischen Beratern und entwickelte eine dem christlichsozialen Gedankengut verbundene Politik, die antiliberal und antisozialdemokratisch war. Nationalitätenpolitisch war Franz Ferdinand antiungarisch und antiitalienisch eingestellt und vertrat ein slawenfreundliches Konzept. Er tendierte zu einem trialistischen Konzept, trat aber nicht voll für einen Ausgleich mit den Tschechen ein, sondern förderte besonders die Südslawen. Mit diesen Ideen geriet er in scharfen Gegensatz zu Kaiser Franz Joseph, der dem "Belvedere-Kreis" um Franz Ferdinand sehr skeptisch gegenüberstand. Persönlich war Franz Ferdinand autoritär und duldete keinen Widerspruch, er war streng katholisch bis bigott, sprunghaft und besessen von der Jagdleidenschaft. Er war keiner, den das Volk liebte, so wie er es auch wenig schätzte. Die Stimme des Volkes, die "vox populi", soll seinem Kreis als die Stimme des Rindviehs, "vox Rindvieh" gegolten haben.
Zu Franz Ferdinands engsten Beratern gehörte Conrad von Hötzendorf, der auf Intervention des Thronfolgers 1906 zum Generalstabschef ernannt wurde. Hötzendorf setzte sich intensiv für die Modernisierung und Verstärkung der Streitkräfte ein und war ein Verfechter des Präventivkriegs gegen Serbien. Die Situation auf dem Balkan war seit der Annexion von Bosnien-Herzegowina 1908 äußerst gespannt. In den nationalen Kreisen Serbiens gehörte Franz Ferdinand wegen seiner südslawischen Politik zu den meistgehassten Männern der Monarchie. Am 28. Juni 1914 veranstaltete der Thronfolger in Sarajewo, der Hauptstadt Bosniens, eine Truppenparade. Der Tag war ein belasteter Termin, und zwar als "vidov-dan", der an die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 erinnert, bei der die Osmanen das unabhängige Serbien auslöschten. Es war ein Tag der Trauer, die Demonstration habsburgischer Macht musste als Provokation empfunden werden. Der junge serbische Student Gavrilo Princip ermordete das Thronfolgerpaar durch Pistolenschüsse.
Das Attentat löste die "Julikrise" aus. Deutschland stellte sich hinter die Habsburgermonarchie, Russland hinter Serbien. Einen Monat später, am 28. Juli 1914, erfolgte nach einem 48-stündigen Ultimatum die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Die folgenden Mobilmachungen in verschiedenen Staaten - Russland, Deutschland und Frankreich - mündeten schließlich durch das Inkrafttreten der verschiedenen Bündnisverträge und Geheimabkommen in den Ersten Weltkrieg. Das Thronfolgerpaar wurde nach Österreich überführt und in der Gruft von Schloss Artstetten, das Franz Ferdinand erworben und zur Begräbnisstätte seiner Familie bestimmt hatte, in aller Stille beigesetzt. Ihre Ehe verhinderte die Beisetzung in der Grablege der kaiserlichen Familie, der Kapuzinergruft in Wien. 1982 wurde in Artstetten ein Franz-Ferdinand-Museum eingerichtet.
Am 10. Juli schrieb Karl Kraus in der "Fackel" über den ermordeten Thronfolger: Er war kein Grüßer. Nicht hatte er von jener 'gewinnenden' Art, die ein Volk von Zuschauern über die Verluste beruhigt. Auf jene unerforschte Gegend, die der Wiener sein Herz nennt, hatte er es nicht abgesehen. Ein ungestümer Bote aus Altösterreich, wollte er eine kranke Zeit wecken, daß sie nicht ihren Tod verschlafe. Nun verschläft sie den seinen. (Karl Kraus, Franz Ferdinand und die Talente, "Die Fackel", 10. Juli 1914)