Kaiser Franz Joseph I.


*18.8.1830 bis †21.11.1916

Biographie

Franz Joseph war mit 68 Jahren der am längsten regierende Monarch Österreichs (1848-1916), der namengebend für eine ganze Epoche der österreichischen Geschichte wurde. Die franzisko-josephinische Ära war eine Zeit des grundlegenden Wandels, geprägt von Industrialisierung, Technisierung, Liberalisierung, dem Entstehen der Massenparteien und des Nationalitätenbewusstseins. Das von Franz Joseph regierte Reich entsprach der Größe des US-Bundesstaates Texas und war sehr uneinheitlich. Es umfasste eine Vielfalt an Kulturkreisen, Nationalitäten und Sprachen und sehr unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Strukturen. Es wurde vor allem durch die Person des Kaisers, einen gut funktionierenden Beamtenapparat und die Treue zum Haus Habsburg zusammengehalten. Franz Joseph wurde im Laufe der Zeit zu einer Symbolfigur der Einheit eines auseinanderstrebenden Vielvölkerstaates, divergierender politischer Konzepte und einer sich wandelnden Gesellschaft. Mit seinem Tod ging für viele die "alte Zeit" zu Ende, sein Trauerzug am 30. November 1916 wurde zum eigentlichen Abschied von der Monarchie.

Franz Joseph war der älteste Sohn des Erzherzogs Franz Karl, eines Bruders des Kaisers Ferdinand I., und der Prinzessin Sophie von Bayern. Die politisch aktive Erzherzogin erzog ihren Sohn von klein auf zum Herrscher. In der Erziehung dominierten die militärische Ausbildung - als 14-Jähriger war er schon Oberst eines Dragonerregiments - und die Betonung von Frömmigkeit, Pflichtbewusstsein und Fleiß. Sein Erzieher Kardinal Rauscher hatte auch nach der Thronbesteigung großen Einfluss auf ihn. Franz Joseph orientierte sich lebenslang an Kirche und Militär, für Kunst und Wissenschaften hatte er hingegen nur wenig übrig. Die vielgerühmte Kultur des Wiener Fin-de-siècle entwickelte sich nicht wegen, sondern vielmehr trotz seiner Regierung.

Franz Joseph war ein leidenschaftlicher Jäger - allein von 1848 bis 1861 erlegte er über 28.800 Stück Wild  - und ein extremer Morgenmensch, der früh aufstand (gegen 5 Uhr) und früh schlafen ging (21 Uhr) und den ganzen Tag Aktenberge bearbeitete. Seine Schlafstätte war ein eisernes Feldbett. Hofkleidung, Zeremoniell und Essenskultur spielten für ihn keine besondere Rolle. Franz Josephs bürokratische Arbeitsweise und Lebensform handelten ihm den Namen "Hofrat Prohaska" ein. Er war ein perfekter Bürokrat, der sich selten politisch äußerte, weshalb eine Beurteilung seiner politischen Haltung schwierig ist. Sicher ist, dass er sein Leben lang der traditionellen absolutistisch-feudalen Staats-, Regierungs- und Sozialform verbunden blieb und im Adel, in der Kirche und in der Armee die wesentlichen Stützen seiner Herrschaft sah. Dem Adel, der seine engste Umgebung bildete, fühlte er sich besonders verpflichtet.

Gegen den Wunsch von Erzherzogin Sophie heiratete Franz Joseph 1854 die damals 16-jährige bayerische Prinzessin Elisabeth (Sisi), eine Nichte seiner Mutter (Tochter ihrer Schwester Ludovika in Bayern). Dieser Ehe entstammten vier Kinder, die schon im Kleinkindalter verstorbene Sophie, Gisela, Rudolf und Marie-Valerie, die wegen ihrer betont ungarisch-nationalen Erziehung durch Elisabeth das "ungarische Kind" genannt wurde. Die Ehe verlief unglücklich und war von zunehmender Distanz geprägt. Eine enge, dauerhafte Beziehung hatte der Kaiser in seinem späteren Leben zur Hofschauspielerin Katharina Schratt. Er musste mehrere familiäre Schicksalsschläge erleben, wie die Ermordung seines Bruders Maximilian als Kaiser von Mexiko (1867), den Selbstmord seines Sohnes Rudolf (1889), die Ermordung Kaiserin Elisabeths (1898) und schließlich das tödliche Attentat auf seinen Neffen und Thronfolger Franz Ferdinand (1914). Positive, mit großem Aufwand gefeierte Ereignisse waren die silberne Hochzeit Franz Josephs und Elisabeths 1879 mit einem vom Maler Hans Makart gestalteten großen Festzug durch Wien und die Festlichkeiten zum 60-jährigen Regierungsjubiläum.

Franz Joseph bestieg im Revolutionsjahr 1848 nach der Abdankung des Kaisers Ferdinand I. am 2. Dezember und dem Verzicht seines Vaters als 18-Jähriger den Thron. Dieser Wechsel sollte vor allem die Monarchie stabilisieren, gestützt auf die Feldherren Windischgrätz, Jellacic und Radetzky, deren Anfangsbuchstaben, wie gewitzelt wurde, das "WIR" in der kaiserlichen Titulatur ("WIR Franz Joseph") bildeten. Die Wiener Revolution war schon Ende Oktober von Windischgrätz und Jellacic blutig niedergeschlagen worden, in Ungarn erreichte sie mit der Erklärung der Unabhängigkeit erst 1449 ihren Höhepunkt und wurde mit russischer Militärhilfe unterdrückt. Sie endete mit zahlreichen Hinrichtungen, darunter des ungarischen Ministerpräsidenten Batthány. Auf dem italienischen Kriegsschauplatz war Feldmarschall Radetzky siegreich und errichtete in der Lombardei als Generalgouverneur ein hartes Regime. Nach der Auflösung des Kremsierer Reichstags (1849) kehrte Franz Joseph endgültig mit der Aufhebung von Verfassung und Grundrechten im "Sylvesterpatent" von 1851 zum Absolutismus zurück.

Die einzige die Revolution überdauernde Maßnahme war die Aufhebung der Grunduntertänigkeit im Jahr 1848, die in der bis etwa 1867 dauernden neoabsolutistische Phase der franzisko-josephinischen Ära grundlegende Veränderungen im ländlichen Raum zur Folge hatte. Die Bauern wurden nun zu Eigentümern ihres zuvor als Leihe ausgegebenen Bodens. Es wurde die so genannte Grundentlastung, eine finanzielle Entschädigung der Grundherren, berechnet und durchgeführt, und es entstanden Gemeinden, Bezirksverwaltungen und Bezirksgerichte, die die Pflichten der ehemaligen Grundherren auf der unteren Verwaltungsebene übernahmen. Verstärkt setzte nun die Industrialisierung ein, die in den Städten zu einer Bevölkerungsexplosion führte. Alte Stadtmauern und Wälle wurden niedergerissen, neue Viertel entstanden. Nicht nur in Wien (1857 Schleifung der Befestigungsanlagen, Entstehung der Ringstraße), sondern in vielen niederösterreichischen Städten wurden die Reste des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Stadtbildes endgültig beseitigt. Die Kirche erhielt ihre im Josephinismus beseitigte Autonomie teilweise zurück. Im Konkordat von 1855 wurden ihr bedeutende Rechte im Schulwesen und in der Ehegesetzgebung zugestanden.

Die Außenpolitik wurde zunehmend von der Italienpolitik dominiert. 1859 opponierte die italienische Einigungsbewegung gegen die habsburgische Herrschaft in Norditalien. Der von Franz Joseph persönlich als Feldherr geführte Krieg gegen das mit Frankreich verbündete Königreich Sardinien-Piemont endete mit den Niederlagen bei Magenta und Solferino und dem Verlust der Lombardei 1859. In den 1860er Jahren spitzte sich der Konflikt mit Preußen um die Führung im Deutschen Bund zu, der sich nach der Niederlage Österreichs bei Königgrätz 1866 zu Gunsten Preußens und der so genannten kleindeutschen Lösung entschied. Österreich trat aus dem Deutschen Bund aus. Die außenpolitischen Misserfolge erhöhten den innenpolitischen Druck auf Franz Joseph, der der liberalen und nationalen Opposition konstitutionelle Reformen gewähren musste.

Bis zur konstitutionellen Dezemberverfassung 1867 gab es verschiedene Verfassungsexperimente, wie das mehr föderalistisch gehaltene "Oktoberdiplom" (1860) und das zentralistischere "Februarpatent" (1861), die dem Reichstag und den Landtagen legislative Befugnisse einräumten, doch scheiterten letztlich die Reformen an der ungelösten Frage der angemessenen Vertretung der verschiedenen Nationalitäten, insbesondere der Deutschen, Tschechen und Ungarn. Mit dem 1867 mit Ungarn geschlossenen "Ausgleich", an dem Kaiserin Elisabeth wesentlichen Anteil hatte, kam es zu einer dualistischen Lösung. Die in zwei Reichshälften geteilte "Österreichisch-ungarische Monarchie" war eine in Personalunion unter einem Monarchen vereinte Doppelmonarchie mit jeweils eigenen Parlamenten, Ministerpräsidenten und Gesetzen. Gemeinsame Angelegenheiten waren Außenpolitik, Heer und Kriegswesen; Währungs-, Handels- und Zollfragen wurden alle zehn Jahre ausverhandelt.

Am 8. Juni erfolgte die Krönung Franz Josephs und Elisabeths zu König und Königin von Ungarn. Die großen Verlierer des "Ausgleichs" waren die slawischen Völker, allen voran die Tschechen, die in der Folgezeit am intensivsten um ihre nationalen Rechte kämpfen sollten. Der Ausgleich brachte nicht die erhoffte dauerhafte Lösung der Nationalitätenfrage, sondern sollte den Nationalitätenkampf erst entfesseln, der einer der vielen Gründe für das Ende der Monarchie war, weshalb in späteren Zeit die Initiatoren des Ausgleichs auch als "Totengräber der Monarchie" bezeichnet wurden. Ende Dezember 1867 erhielt die österreichische Reichshälfte (Zisleithanien) eine neue, konstitutionelle Verfassung, in der die Gewaltentrennung und die Grundrechte der Staatsbürger festgeschrieben wurden. Durch das an eine bestimmte Steuerhöhe gebundene Zensus-Wahlrecht blieb die politische Mitbestimmung allerdings auf die Minderheit der Besitzenden beschränkt. Die vom Geist des Liberalismus getragene Dezemberverfassung konnte nur gegen den zähen Widerstand Franz Josephs durchgesetzt werden und räumte ihm bedeutende Rechte ein.

Mit dem Jahr 1867 begann die bis 1879 dauernde liberale Ära der Epoche Franz Josephs, der sich gegenüber den liberalen Regierungen distanziert verhielt und vor allem deren antikirchliche Politik ablehnte. Die harten, als "Kulturkampf" bezeichneten Auseinandersetzungen mit der Kirche hatten die Trennung von Staat und Kirche und die Aufhebung des Konkordats zum Ziel. In den konfessionellen Gesetzen von 1868 kam es nicht zuletzt aus Rücksicht auf den Kaiser nur zu Kompromissen. Bleibende Errungenschaft der liberalen Kirchenpolitik war das Reichsvolksschulgesetz von 1869, das die interkonfessionelle, achtjährige, staatliche Pflichtschule einführte und die kirchliche Schulaufsicht aufhob. 1870 wurde schließlich auch die Kündigung des Konkordats durchgesetzt. Mit dem Börsenkrach von 1873 nach einer Zeit der Wirtschaftseuphorie begann das Ende der liberalen Ära. Das Misstrauen gegenüber Kapitalismus und Liberalismus begünstigte antikapitalistisch und antiliberal orientierte politische Konzepte mit betont nationalen und/oder sozialen Inhalten, die sich in unterschiedlicher Schärfe mit dem Antisemitismus verbanden und vor allem die "Massen" mobilisieren konnten. Nach der Wahlniederlage von 1879 verloren die Liberalen als Partei zwar an politischer Bedeutung, doch hatte die liberale Ära die politische Mitbestimmung des wirtschaftlich starken Bildungsbürgertums auf Dauer etabliert. Vor allem diese Schicht entdeckte Niederösterreich als Sommerfrische und Ausflugsziel. Nun vollzog sich auch endgültig die Trennung von "Stadt und Land", "Provinz und Großstadt". Wien wurde zur Kulturmetropole und Millionenstadt. 

1890 wurden auch die bisher zu Niederösterreich gehörigen Vororte mit ihren Elendsquartieren eingemeindet. Die industrielle Revolution hatte die sozialen Gegensätze und Missstände verschärft, jetzt wurden sie öffentlich thematisiert und bekämpft. Zum Alltag gehörte eine "bunte" Medienlandschaft, eine öffentliche Meinungsbildung und ein vielfältiges Vereinswesen, in dem sich Menschen organisierten, ihre soziale wie nationale Identität pflegten und ihre Rechte auch politisch einforderten. Die nachliberale Periode war geprägt vom Nationalitätenkampf und vom Aufkommen der Massenparteien (Deutschnationale, Christlichsoziale, Sozialdemokraten). Das Selbstbewusstsein der Nationalitäten (Tschechen, Slowenen, Polen, Kroaten) sowie der bisher von der politischen Mitsprache ausgeschlossenen unteren und mittleren Schichten der Bevölkerung führten zu einer Radikalisierung im Reichsrat ebenso wie auf der Straße. Die Zeit war geprägt von harten öffentlichen Auseinandersetzungen in den Medien, von Regierungskrisen, aber auch von einer beginnenden Sozialpolitik und der Durchsetzung demokratischer Formen, wie das 1907 eingeführte allgemeine Wahlrecht - zumindest für Männer.

Außenpolitisch erschien infolge der ungelösten Probleme mit den Slawen der von Russland vertretene Panslawismus als größte Gefahr. 1882 schlossen sich Österreich, Italien und Deutschland zum Dreibund zusammen. In der Folgezeit rückte der Balkan in den Mittelpunkt des Interesses, wo die Monarchie mit der Okkupation und dann Annexion Bosnien-Herzogowinas (1908) zwar ihre politische Position vor allem gegenüber Serbien und dessen großserbischen Plänen sowie gegenüber der Türkei und Russland stärken konnte, aber damit die politischen Spannungen in der Krisenregion wesentlich verschärfte, die sich in den Balkankriegen 1912/13 nur teilweise entluden. Eine sehr aktive proslawische, antiserbische Balkanpolitik betrieb der Thronfolger Franz Ferdinand, zu dessen engsten Beratern Conrad von Hötzendorf gehörte, der einen Präventivkrieg vertrat. Er residierte im Belvedere, das neben Schönbrunn zum zweiten Machtzentrum der Monarchie wurde. Während Franz Joseph dem antiungarisch und antiitalienisch eingestellten "Belvederekreis" um Franz Ferdinand skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, richteten sich viele Hoffnungen auf den energischen Thronfolger und das von ihm vertretene trialistische Konzept einer Sonderstellung der Südslawen in der Monarchie. In den nationalen Kreisen Serbiens wurde er zum meistgehasstesten Repräsentaten habsburgischer Machtpolitik. Der greise Kaiser war in den letzten Jahrzehnten seiner Regierung zu einer Symbolfigur der Einheit und des Friedens geworden, ein Mythos, der für ein Prinzip stand.

Eine der letzten Regierungshandlungen von Franz Joseph wurde auch eine der schwerwiegendsten. Nach dem tödlichen Attentat auf Franz Ferdinand in Sarajewo (28. Juni 1914) unterzeichnete der Kaiser die Kriegserklärung an Serbien vom 28. Juli 1914, die durch das Inkrafttreten der Bündnisse den Ersten Weltkrieg auslöste. In seinem Manifest "An meine Völker" vom selben Tag erklärte er, sich gewünscht zu haben, seine letzten Jahre Werken des Friedens weihen zu können, doch sei es "im Rate der Vorsehung anders beschlossen" worden. Er vertraue aber auf Österreich-Ungarns "tapfere und von hingebungsvoller Begeisterung erfüllte Wehrmacht" und auf Gott, dass er "meinen Waffen den Sieg verleihen werde". Franz Joseph erlebte noch die allgemeine Kriegsbegeisterung, die Eroberung Serbiens, das Erstarren der Front im Stellungskrieg im Osten und Westen und den Beginn der Isonzoschlachten in Italien. Den Zusammenbruch erlebte er nicht mehr, er starb mitten im Krieg an einer Lungenentzündung.