Giovanni Giuliani


*29.4.1664 bis †5.9.1744

Biographie

Der aus Venedig stammende Barockbildhauer Giovanni Giuliani verbrachte den Großteil seines Lebens in Wien und Niederösterreich, vor allem in Stift Heiligenkreuz. Er war Holz- und Steinbildhauer und etablierte die oberitalienischen Gestaltungsmittel in der barocken Skulptur Wiens sowie in Niederösterreich und im mährischen Raum.
Geboren als Sohn eines Bäckermeisters im Viertel Canaleggio in Venedig, erhielt er seine erste künstlerische Ausbildung in seiner Heimatstadt und in Bologna, u.a. bei Giuseppe Mazza. Im Alter von 16 Jahren zog er nach München und wurde Schüler des bayerischen Hofbildhauers Andreas Faistenberger. Seit 1690 lebte er in Wien, wo er zunächst für den Fürsten Montecuccoli tätig war und für dessen Gärten in Niederösterreich Sandsteinfiguren anfertigte. 1693 heiratete er die Gärtnerstochter Anna Felicitas Grässl, wenig später legte er in Wien den Bürgereid ab.
In der Folgezeit weitete Giuliani seine künstlerische Tätigkeit aus und arbeitete für das Stift Heiligenkreuz, die Grafen Abensberg-Traun in Petronell und die Grafen Kaunitz in Austerlitz in Mähren (Slavkov). Hauptauftraggeber wurden die Fürsten Liechtenstein, für die er Skulturen im Rossauer Palais, im Stadtpalais und in Schloss Eisgrub (Lednice, Tschechien) anfertigte. Mit seinem wachsenden Schülerkreis, zu dem auch Raphael Donner gehörte, schuf er auch die Sandsteinfiguren auf der Schlossbrücke von Schloss Niederleis und den Hochaltar und die Seitenaltäre der Stiftskirche Heiligenkreuz.
Nach der Trennung von seiner Frau und der damit verbundenen Pfändung seines Besitzes flüchtete Giuliani 1711 vor dem drohenden finanziellen Ruin in das Stift Heiligenkreuz. Er wurde Familiar des Klosters, das heißt ein Ordensangehöriger ohne Gelübde, der vom Kloster versorgt wurde, das als Gegenleistung seinen (verbliebenen) Besitz und seine ungeteilte Arbeitskraft erhielt.
Giovanni Giuliani lebte und arbeitete noch mehr als 30 Jahre in Heiligenkreuz, wo er mit seinen zahlreichen Werken nahezu "allgegenwärtig" wurde und sehr wesentlich den Umbau des Stiftes und des Heiligenkreuzerhofs in Wien gestaltete. Von ihm stammt unter anderem die monumentale Dreifaltigkeitssäule im Stiftshof, der Josefsbrunnen, der Kalvarienberg, das Chorgestühl in der Stiftskirche, die Totenkapelle im ehemaligen "Parlatorium" - ein kleiner Raum, in dem die Mönche sprechen durften - und die Bernhardskapelle im Heiligenkreuzerhof. Als bereits über 70-Jähriger schuf er für den Heiligenkreuzer Abt Robert Leeb ein Ensemble von 60 Figuren für dessen Gärten in der Leopoldstadt und gestaltete den Innenraum der zum Stift gehörigen und 1735/40 erweiterten Pfarrkirche von Gaaden aus.
Der Barockbildhauer starb im Alter von 80 Jahren in Heiligenkreuz, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand. Seine Grabstelle ist - ebenso wie jene von Martino Altomonte - in der Stiftskirche durch eine Marmorplatte an den Eckpfeilern gekennzeichnet. Er hinterließ dem Kloster eine einzigartige Sammlung von über 150 Skulpturmodellen, die im Stiftsmuseum verwahrt wird.