Biographie
Der legendäre "Räuberhauptmann" Johann Georg Grasel (Jan Jirí Grázl), auch der "große Hansjörg" oder Niklo genannt, wurde im mährischen Neu-Serowitz (Nové Syrovice) in eine Abdecker-Familie hineingeboren, die von Kleinkriminalität und Bettelei lebte. Die Abdecker (Schinder, Wasenmeister) gehörten zu den soziale Randgruppen. Sie zählten zu den unehrlichen Berufen und lebten daher abseits.
Der Vater wurde 1792 wegen mehrfachen Einbruchs zu zehn Jahren Kerker verurteilt. Die Mutter Regina musste allein für ihre beiden Kinder, Hans Jörg und die etwas jüngere Anna-Marie, sorgen und zog mit ihnen als Bettlerin umher. Im Alter von neun Jahren wurde Grasel erstmals wegen versuchten Diebstahls inhaftiert, als 16-Jähriger war er als "Aufpasser" aktiv an seinem ersten Einbruch beteiligt.
Nach der Entlassung des Vaters 1809 wurde dieser sein Lehrherr im Einbrecher-Handwerk; im Dezember 1810 beging er seinen ersten Einbruch ohne den Vater. Neben seiner kriminellen Betätigung war Grasel kurzzeitig auch als Abdecker, Knecht, Bilderhändler und Soldat beschäftigt. Zu seinen Straftaten zählten sowohl kleinere Diebstähle an armen wie weniger armen Personen als auch größere Einbrüche, manche mit schweren oder tödlichen Misshandlungen der Opfer. Grasel beging die Einbrüche meist mit drei Gefährten, die aber fast immer wechselten. Mehrere Straftaten verübte er mit Jakob Fähding, Ignaz Stangl und Leopold Zach.
Bei Verhaftungen gaben viele seiner Kameraden aus Selbstschutz Grasel die Hauptschuld, sodass er zunehmend zum "Räuberhauptmann" wurde, der als Anführer einer großen Bande in den Wäldern und Höhlen des Wald- und Weinviertels hausen sollte. Er wurde sogar als Zauberer verdächtigt, weil er angeblich am selben Tag Diebstähle an weit voneinander entfernten Orten verübt hätte. Seine dreimalige Flucht aus dem Arrest trug zu seinem Ruf bei, nicht zu fassen zu sein. Über das weit verzweigte Beziehungsnetz der Abdeckerfamilien und der oft mit diesen verwandten Viehhirten verfügte Grasel über eine ausgezeichnete "Infrastruktur", die ihm sowohl Informationen als auch Unterschlupf - in Abdeckereien, Viehhütten, Gasthäusern oder abgelegenen Bauernhöfen - lieferte.
Seine zwei namentlich bekannten Freundinnen, Rosalie "Salerl" Eigner und Therese "Reserl" Hamberger, waren Töchter von Abdeckern. Salerl gebar ihm im Dezember 1815 - nach seiner Verhaftung - einen Sohn, Reserl war seit Anfang 1815 im Drosendorfer Arrest inhaftiert. Eine gezielte Verfolgung Grasels gestaltete sich schwierig, da die polizeilichen Aufgaben von den Grundherrschaften wahrgenommen wurden, die jeweils eine eigene Taktik verfolgten, sodass er sich durch den Wechsel in eine andere Grundherrschaft immer wieder für eine gewisse Zeit in Sicherheit bringen konnte.
Der "Fall Grasel" zog weite Kreise und ängstigte sogar die Wiener Bevölkerung, was in Wien wegen des damals stattfindenden Wiener Kongresses (1814/15) als peinlich empfunden wurde. 1815 wurde der Fall daher dem Wiener Magistrat übertragen und eine hohe Belohnung auf Grasels Ergreifung ausgesetzt. Seine Verhaftung gelang allerdings erst durch die erfolgreiche Einschleusung des Brünner Polizisten David Mayer - "Michel" - in das Milieu. Durch eine vorgetäuschte Befreiung Resels, der Geliebten Grasels, aus dem Arrest konnte "Michel" dessen Vertrauen gewinnen und Grasel zu einer Besprechung eines Coups nach Mörtersdorf locken, wo er am 20. November 1815 verhaftet und nach Wien gebracht wurde.
Nach einem umfangreichen Verfahren wurden Grasel sowie Jakob Fähding und Ignaz Stangl zum Tod durch den Strang verurteilt und am 31. Jänner 1818 in der Rossauerkaserne im 9. Wiener Gemeindebezirk vor einer großen Menschenmenge hingerichtet. Der Urteilsspruch gilt wegen der unzureichenden Beweise - vor allem gegen Fähding und Stangl, aber auch gegen Grasel, der den ihm vorgeworfenen Raubmord bis zuletzt leugnete - als problematisch.
Der "Räuberhauptmann Grasel" war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er lebte in scherzhaften Liedern und Geschichten weiter, die aus ihm einen leichtsinnigen, kleinen Gauner machten. In Mähren entstand aus seinem Namen der Begriff "grázl" für "Halunke, Lump", in Niederösterreich erinnern zahlreiche "Graselhöhlen" und Gaststätten, zwei in Horn und eine in Mörtersdorf, an den berühmten Waldviertler. Jenseits aller Romantik ist seine Geschichte vor allem eine Geschichte der sozialen Randgruppen und des Umgangs der Obrigkeit mit ihnen.