Biographie
Der 2004 selig gesprochene Karl I. war der letzte Kaiser Österreichs und - nach fast 650 Jahren - der letzte regierende Habsburger auf dem Thron.
Karl Franz Joseph war der Sohn des skandalumwitterten "schönen Erzherzogs" Otto, eines Neffen von Franz Joseph, und der Maria Josefa von Sachsen. Er wurde in Schloss Persenbeug geboren, besuchte das Wiener Schottengymnasium und wurde nach militärwissenschaftlichen und juridischen Studien Leutnant bei den Husaren und Dragonern in Böhmen und in Galizien. Am 21. Oktober 1911 heiratete er auf Schloss Schwarzau am Steinfelde bei Wiener Neustadt Prinzessin Zita von Bourbon-Parma, ein Jahr darauf wurde sein ältester Sohn Otto geboren. Nach der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo am 28. Juni 1914 rückte Karl in der Thronfolge nach. Kaiser Franz Joseph betraute ihn mit militärischen Aufgaben, hielt ihn aber von politischen Entscheidungen fern.
Karl kannte die Verhältnisse an der Front und hatte ein einigermaßen realistisches Bild von der Armee und ihren begrenzten Möglichkeiten. Er vertrat eine pro-slawische Politik, da er, wie schon Franz Ferdinand, im Ausgleich mit Ungarn von 1867, der Ungarn ein Übergewicht über die slawischen Nationen gab, das Hauptproblem der Monarchie sah. Der politische Spielraum in der Nationalitätenfrage war jedoch gering, die Positionen seit Jahrzehnten festgefahren. Die Nationalitätenprobleme betrachtete Karl als die schwierigste Aufgabe der Regierung, die er 1916 übernehmen musste. Am 21. November starb der greise Franz Joseph, sein Begräbnis am 30. November hatte Symbolcharakter. Für viele wurde der Trauerzug im Rückblick zum eigentlichen Abschied von der Monarchie.
Kaiser Karl versuchte Zeichen eines neuen Anfangs zu setzen, übernahm den Oberbefehl über die Armee und entließ den Chef des Generalstabs, Conrad von Hötzendorf, einen der schärfsten Kriegsbefürworter. 1917 ließ er erstmals seit 1914 das Parlament wieder zusammentreten und erließ eine Amnestie, um die Härte der Kriegsgerichtsbarkeit auszugleichen. Er musste aber auch Kompromisse schließen. Bei seiner Krönung zum König von Ungarn am 30. Dezember 1916 in Budapest legte er einen Eid auf die Wahrung der Gesetze und Grenzen Ungarns ab, was die Respektierung der magyarischen Vorherrschaft über die Slawen bedeutete und einen Ausgleich mit den Slawen erschwerte.
Das wichtigste Versprechen des Kaisers bei seinem Regierungsantritt war aber der Frieden. Es wurden vertrauliche Kontakte geknüpft und Vermittlungsversuche gestartet. Eine dieser Friedensinitiativen, die über den Bruder Kaiserin Zitas, Sixtus von Bourbon-Parma, an Frankreich herangetragen wurde, mündete in eine peinlichen Affäre: Ein Brief des Kaisers, in dem er Frankreichs Forderung nach Elsaß-Lothringen akzeptierte, wurde nach dem Scheitern des Vermittlungsversuchs in Frankreich veröffentlicht. Die so genannte "Sixtus-Affäre" belastete das Verhältnis zu Deutschland und die Glaubwürdigkeit der österreichischen Friedensbemühungen. Sie scheiterten letztlich am Widerstand Italiens, dessen Ansprüche auf Triest und Trient immer abgelehnt wurden.
Die äußerliche Situation der Mittelmächte war 1917 nicht ungünstig, insbesondere durch den Zusammenbruch des zaristischen Russland. Obwohl skeptisch gegenüber der deutschen Übermacht, schloss Karl, kompromittiert durch die Sixtus-Affäre, im Mai 1918 eine Vereinbarung mit Kaiser Wilhelm II., in der er sich der deutschen Kriegspolitik unterordnete. Alle kriegswichtigen Bereiche der Donaumonarchie unterstanden nun weitgehend deutscher Kontrolle. Parallel dazu verloren die Westmächte ihr Interesse am Fortbestand der Monarchie und unterstützten stärker die nationalen Bewegungen. Seit dem Winter 1917/18 hatte sich die Versorgungslage der Monarchie deutlich verschlechtert, die Brotrationen mussten gekürzt werden. Die Hoffnungen vor allem der Angehörigen slawischer Nationalitäten richteten sich zunehmend auf den Sieg der Entente, um die Unabhängigkeit zu erreichen.
Die Proklamation der "14 Punkte" des amerikanischen Präsidenten Wilson am 8. Jänner 1918, die unter anderem die nationale Autonomie der Völker der Donaumonarchie forderten, sowie die nationalen Versprechungen der Entente und die russische Oktoberrevolution verstärkten den Einsatz für die Ideale des Nationalismus und der Demokratie. Es kam zu Streiks, Widerstandsaktionen, Angriffen auf Offiziere und Desertationen. An der Front zeichneten sich im Sommer 1918 trotz neuerlicher Offensiven Misserfolge ab. Im so genannten "Völkermanifest" vom 16. Oktober 1918 kündigte Kaiser Karl die Umwandlung Österreichs in einen Bundesstaat an. Die Länder der ungarischen Krone sollten aber davon ausgenommen sein, wovon die Kroaten, Slowaken und Rumänen betroffen waren. Das Manifest kam zu spät, es war durch die politische Entwicklung bereits überholt. Einen Tag zuvor hatte Frankreich die neu gebildete provisorische tschechoslowakische Exilregierung anerkannt. Innerhalb eines Monats brach die Monarchie zusammen.
Auf dem Balkan und in Italien meuterten die Truppen, am 21. Oktober konstituierten sich in Wien die deutschsprachigen Mitglieder des cisleithanischen Abgeordnetenhauses als "Provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich", am 24. Oktober kam es in Budapest zu Demonstrationen und Zusammenstößen, am 28. Oktober wurde die tschechoslowakische Republik ausgerufen, einen Tag später proklamierte der Landtag in Agram die Trennung Kroatiens von der Monarchie, am 1. November ließ sich der von Kaiser Karl am Vortag ernannte ungarische Ministerpräsident Graf Károly von seinem Amtseid an den Kaiser entbinden, die ungarischen Truppen waren bereits von der Front abgerufen worden. Am 3. November 1918 unterwarf sich Österreich den Waffenstillstandsbedingungen der Entente, der Waffenstillstand trat am nächsten Tag in Kraft. Am 11. November unterschrieb Kaiser Karl seinen Verzicht "auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften" und zog sich aus Schönbrunn nach Eckartsau im Marchfeld zurück. Am 12. November wurde in Wien die Republik ausgerufen.
Vielfach waren es die Vertreter der politischen Elite der Monarchie, die nun die republikanisch-demokratische Entwicklung einleiteten. Der Übergang vollzog sich in der Regel friedlich, revolutionäre Kämpfe gab es nur in Budapest, wo sich eine Räteregierung durchsetzte. Karls "Völkermanifest" erleichterte die geordnete Übernahme der Verwaltung durch die neuen Staaten. Er selbst hielt weiterhin an seinen Souveränitätsrechten fest, in der Hoffnung auf eine Restauration, und dankte nicht ab. Er musste daher das Land verlassen und ging im März 1919 unter britischem Schutz mit seiner Familie in die Schweiz ins Exil. Im selben Jahr versuchte er noch zweimal, die Monarchie in Ungarn mit Hilfe loyaler Kreise und königstreuem Militär zu restaurieren. Der zweite Versuch führte zur Internierung im Kloster Tihany.
Im November 1921 beschloss das ungarische Parlament ein Gesetz, mit dem die Herrscherrechte des Hauses Habsburg in Ungarn erloschen. Karl musste mit seiner Familie ins Exil nach Madeira gehen, wo er nur wenige Monate später, nicht einmal 35-jährig, an einer Grippe starb. Er hinterließ sieben Kinder im Alter von ein bis zehn Jahren, sein achtes Kind, Elisabeth Charlotte, wurde zwei Monate nach seinem Tod geboren. Seine junge Witwe Zita sollte ihn um fast 70 Jahre überleben. Sie lebte mit ihren Kindern zunächst in Spanien und später in Belgien. Die letzte Kaiserin von Österreich starb 1989 und wurde am 1. April in Wien beigesetzt.
Am 3. Oktober 2004 wurde Karl I. von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Als Gedenktag wurde der 21. Oktober, sein Hochzeitstag, festgelegt.