Biographie
Leutold I. war wohl einer der bedeutendsten Kuenringer. Im Stift Zwettl wurde er als "dritter Stifter" (tertius fundator) nach Hadmar I. und Hadmar II. gefeiert. Er war der älteste Sohn des Albero V. aus der Dürnsteiner Linie und der Gertrud von Wildon. Unter seinem Vater war es zu einer Linienteilung gekommen, mit den Interessenschwerpunkten in Dürnstein bzw. in Weitra. Nach dessen Tod (1260) übernahm zunächst sein Onkel Heinrich IV. aus der Weitraer Linie die Führungsrolle des Hauses, der - wie auch Leutolds Vater Albero - zu den Stützen der Herrschaft des böhmischen Königs Ottokar II. in Österreich gehörte. Leutold stellte sich jedoch mit seinen jüngeren Brüdern Albero (VI.) und Heinrich (VI.) auf die Seite von König Rudolf I. von Habsburg und kämpfte in der Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen (1278) an dessen Seite gegen Ottokar. Sein Bruder Albero fiel in der Schlacht. Nachdem seine Verwandten aus der Weitraer Linie, sein Onkel Heinrich und dessen gleichnamiger Sohn, wegen Konspiration gegen Rudolf Besitz und Amt verloren hatten und ins Exil flohen, war Leutold als Ältester Repräsentant des Hauses.
Als geschworene Räte sollten er und sein Bruder den Sohn und Nachfolger König Rudolfs, Albrecht, bei der Verwaltung des Landes unterstützen. Die Brüder heirateten Schwestern, Leutold Agnes von Feldsberg, Heinrich Adelheid. Beide Ehen blieben kinderlos, doch brachten sie als Erbe die Herrschaft Feldsberg sowie die Belehnung mit dem Reichslehen Seefeld, in späterer Zeit das bedeutendste Herrschaftszentrum der Kuenringer. Das Verhältnis zum neuen habsburgischen Landesfürsten Herzog Albrecht I. war zunächst gut, verschlechterte sich aber wegen dessen Weigerung, die Rechte der Landherren zu bestätigen, sowie der Begünstigung der landfremden Gefolgsleute der Habsburger, der "Schwaben".
Das Gerücht, Herzog Albrecht sei an Gift gestorben, führte 1295 zum Ausbruch einer Adelserhebung, an deren Spitze auch Leutold von Kuenring stand. Der Aufstand verlief infolge der geschickten Verhandlungstaktik des Herzogs sowie mangelnder Unterstützung aus dem Reich und aus Böhmen im Sand. Auch Leutold, der am längsten Widerstand leistete, musste sich schließlich mit der Urkunde vom 25. Juni 1296 unterwerfen und den Treueschwur leisten. Burg und Stadt Weitra gingen dabei endgültig verloren, womit es Albrecht gelungen war, das Entstehen einer geschlossenen Kuenringerherrschaft im oberen Waldviertel zu verhindern. Auch die Verpfändung von Spitz und Wolfstein auf fünf Jahre als Sicherheit schwächte vorübergehend die Macht der Kuenringer in der Wachau. Leutold gehörte aber weiterhin zu den mächtigsten und reichsten Adeligen des Landes.
Er dürfte auch über Bildung verfügt haben, die ihm Lesen und Schreiben ermöglichte, hatte eine personell gut ausgestattete Kanzlei und kümmerte sich persönlich um die Verwaltung seiner Güter und um das Hauskloster Zwettl. Mit seinen reichen Schenkungen versöhnte er das von seinen Vorfahren, seinem Großvater und Großonkel Hadmar III. und Heinrich III., den "Hunden" von Kuenring, geschädigte Kloster wieder mit den Kuenringern. Die Anlage des Zwettler Stifterbuches, der Bärenhaut, ab 1310/1311, in dem die Geschichte des Hauses und die Schenkungen an das Kloster zusammengeschrieben wurden, steht mit seinem Wirken in engem Zusammenhang. Zur Vorbereitung einer Hausgeschichte und zugleich als Grundlage einer wirtschaftlichen Reform förderte er die Zusammenstellung der Zwettler Urkunden unter Abt Ebro (1273-1304) und verfolgte sicherlich mit großem Interesse die Erstellung eines Urbars, in dem die Einkünfte verzeichnet sind (1280), und die Entstehung der Bärenhaut.
Neben Zwettl bedachte er mit seinen Stftungen auch die Nonnen in St. Bernhard in Horn, das von seinem Schwiegervater Albero von Feldsberg gegründete Nonnenkloster Imbach und das Schottenkloster in Wien in der Nähe seines Stadthauses, im Jahre 1294 gründete er in Dürnstein ein Klarissenkloster. Er soll nicht nur großzügig gewesen sein, sondern sogar erwogen haben, selbst in das Kloster einzutreten. Er heiratete allerdings Anfang 1300 ein zweites Mal, nach der Bärenhaut auf Betreiben Herzog Albrechts I. (seit 1298 König), der Leutold nicht an das Kloster verlieren wollte und ihm seine Verwandte Gräfin Agnes von Asberg zur Frau gab, die nicht nur mit den Habsburgern, sondern auch mit der heiligen Elisabeth von Thüringen verwandt gewesen sein soll. Damit wird in erster Linie Leutolds Rang und - weltliche wie geistliche - Würde von den Zwettler Mönchen herausgestrichen. Mit Agnes hatte er noch mehrere Kinder. Sein ältester Sohn Leutold II. war bei seinem Tod 1312 erst zehn Jahre und sollte ebenso wie sein jüngerer Bruder 1348 sterben, vermutlich an der Pest.
Leutold I. hatte noch vor seinem Tod Vorbereitungen getroffen, dass die Führungsrolle auf Albero VII. aus der Weitraer Linie überging. Nach seinem Tod hielt seine Witwe zunächst den Besitz zusammen. In den 40er-Jahren des 13. Jahrhunderts starb jedoch fast die gesamte männliche Kuenringer-Generation beider Linien frühzeitig. Mit dem Tod seines gleichnamigen Enkels, Leutold III., im Jahr 1355 starb die Dürnsteiner Linie aus. Den Großteil der Güter in der Wachau mit dem Stammsitz Dürnstein erbte dessen Schwester Anna, Gemahlin Heidenreichs von Maissau, und ging über sie an die Maissauer. Ein anderer Teil fiel über die Kuenringerin Elsbeth an die Wallseer, die einst zu den verhassten "Schwaben" gehört hatten, inzwischen aber durch Heiratsverbindungen zu Verwandten der Kuenringer geworden waren. Die Weiterführung der Adelstradition erfolgte über den 1346 geborenen Nizzo II. aus der Weitraer Linie, der sich Kuenring-Seefeld nannte.