Gedicht: "Mein Traum"
Schon drückte mir Morpheus die Wimpern zum Schlaf
In einer schwülen Sommernacht
Ich träumte von vielem im Fieberwahn
Mein Haupt war glühend, mein Herz schlug stark.
Da überfiel mich endlich ein leiser Schlaf
Ich träumte: Nach meinem Tode wurd ich
Vom Schutzenglein im Himmel geführt
Und schaun sollt’ ich die Gottespracht.
Da trat der Fürst der Apostel zu mir
Und setzt mir aufs Haupt eine silberne Kron’
Und sagt zu mir mit verklärtem Gesicht:
"Kind, empfang nun von Gott den gebührenden Lohn."
Als so ich schaut mich im Kreise herum
Bemerkt ich, daß die andern am Kopf
Nicht hatten eine einfach silberne Kron’
Nein, einen Kranz von viel edler’m Gestein.
Dies sehend, meinen Führer ich frug
Warum ich nicht desgleichen hätt,
Der Lohn, sprach er, gleicht dem Verdienst,
Die dort, - haben mehr als du gelitten und geduldet.
Und als ich diese Worte hört,
Erkannt ich meine Fehler gleich
Bereut es tief und schmerzt mich recht,
Daß ich so wenig hat ertragen.
Da fühlte ich ´nen leisen Hauch
Und Himmel, Lohn, Verdienst husch, husch,
Lebt wohl, - es war der Mutterkuß
Ich lag in ihren Armen kaum erwacht.
Da erst erkannt ich, daß es war ein Traum
Ein Fingerzeig vom allerhöchsten Vater,
Und dankte Gott und freute mich der Frist
Die Er mir gab, um mehr noch zu verdienen.
(Quelle: Blaugelber Literaturbogen von Frau Ava bis heute, zusammengestellt von Sidonius Kysely, 1989)