Nikolaus von Verdun


*~1150 bis †~1205

Biographie

Nicolaus von Verdun war ein aus Lothringen stammender Goldschmied und Emailkünstler, geboren um 1130 in Verdun, gestorben nach 1205 vermutlich in Tournai.

Die einzige zuverlässige Quelle bildet die Inschrift des Klosterneuburger Ambos, in der das Vollendungsjahr 1181 und der ausführende Künstler „Nicolaus Virdvnensis“ genannt sind. Die Inschrift des Marienschreins in Tournai, die einen „Nicolaus de Verdvn“ und das Jahr 1205 nennt, wurde erst 1890 nach einer Aufzeichnung des 17. Jahrhunderts erneuert; Formulierung und Inhalt der Inschrift sprechen gegen deren Authentizität. Weitere Werke wurden dem Künstler stilistisch zugeordnet, das meiste jedoch (z. B. Annoschrein, Siegburg, Kloster St. Michael) inzwischen wieder abgeschrieben. Als sicher erscheint die Mitarbeit am Kölner Dreikönigenschrein nach der Fertigstellung des Klosterneuburger Werkes 1181, möglicherweise erheblich später.
Eine Beurteilung des Künstlers muss vom Klosterneuburger Ambo ausgehen, der durch Umfang, künstlerische Qualität und Anspruch des ikonographischen Programms eine Sonderstellung in seiner Zeit einnimmt. 45 Emailplatten – 6 weitere wurden beim Umbau zum Flügelaltar 1329 (nicht 1331) hinzugefügt - und umfangreiche Beischriften bilden ein Programm alt- und neutestamentlicher Darstellungen in typologischer Zuordnung. Das zugrundeliegende Schema einer heilsgeschichtlichen Dreiteilung – ante legem, sub gratia, sub lege –, in der theol. Literatur seit patristischer Zeit geläufig und in Früh- und Hochmittelalter durch vielgelesene Autoren (Augustinus, Isidor v. Sevilla, Honorius Augustodunensis) bekannt, wurde hier zum ersten Mal für ein typologisches Bildprogramm verwendet. Dessen Grundlage ist theol. Grundwissen, das die Handbücher der Zeit vermittelten, nicht moderne franz. Theologie, wie vermutet wurde.
Stilistische Unterschiede innerhalb der Klosterneuburger Platten und der zugeordneten Werke (Schreine in Köln und Tournai) werden in der Forschung teils durch die Annahme einer künstlerischen Entwicklung, teils auch durch die Beteiligung mehrerer Personen, die in einer Werkstattgemeinschaft arbeiteten, erklärt. Einigkeit herrscht hinsichtlich der stilistischen Neuerungen, meist mit dem Begriff Muldenfaltenstil bezeichnet, die von dem Klosterneuburger Werk ausgehen und hier wesentlich früher auftreten als in anderen Gattungen. Schwierig ist die Bestimmung der künstlerischen Voraussetzungen. Hingewiesen wurde u. a. auf das Maasgebiet und Nordfrankreich. Auch antike Kunst wurde, in der Vermittlung spätantiker Elfenbeinschnitzereien, als Einfluss genannt. Der Vorstellung der älteren Forschung, Nicolaus von Verdun sei seinen Aufträgen nachgereist, wurde neuerdings die Annahme einer ortsfesten Werkstatt und der Versendung der fertiggestellten Werke entgegengestellt. Hierfür spricht, dass in Klosterneuburg die notwendigen Vorlagen fehlten und eine längere Anwesenheit dort Spuren in der lokalen Kunstproduktion hinterlassen hätte, die nicht festzustellen sind. Auffallend, wenn auch in der Forschung bisher kaum beachtet, ist die hohe Qualität der Inschriften, deren formale Gestaltung ebenfalls stilistische Neuerungen verrät und auf Lateinkenntnisse Nicolaus von Verduns hindeuten könnte.

Quelle: Arnulf, Arwed, „Nicolaus von Verdun“, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 276 f. [Onlinefassung]; URL: www.deutsche-biographie.de/pnd118588125.html

 

 <\/ABBR>