Schreckenwalds Rosengärtlein
Auf dem Aggstein wohnte vor Zeiten ein furchtbarer Räuber namens Schreckenwald. Er beraubte die Reisenden, sperrte sie auf einen steilen Felsvorsprung, den er das "Rosengärtlein" nannte, und ließ den Bedauernswerten die Wahl zwischen Verhungern und einem Sprung in den schauerlichen Abgrund. Einmal konnte sich aber ein gewandter Jüngling aus dem Rosengärtlein durch einen kühnen Sprung auf eine Baumkrone retten. Nach seiner Rettung sammelte er eine tapfere Schar um sich und führte den Raubritter der gerechten Strafe zu. Sprichwörtlich sagt man nun von einem Menschen, der sich aus höchster Not nur unter Lebensgefahr retten kann: "Er sitzt in Schreckenwalds Rosengärtlein."
Der Rosengarten von Aggstein taucht erstmals 1621 in einer literarischen Quelle auf, eine Verbindung zu Jörg Scheck von Wald ist nicht bekannt. Im Mittelalter konnten Rosengarten-Plätze mehrere Bedeutungen haben, als Spiel- und Festplätze, aber auch als Begräbnisstätten und Orte der Gerichtsbarkeit. Auch ein Kerker konnte daher als Rosengarten bezeichnet werden. Möglicherweise besteht eine Verbindung zu solchen Felsengefängnissen wie auf Aggstein. Ein ebensolches Rosengärtlein besitzt die Burg Rotheck im Breisgau, von dem ein grausamer Burgherr seine Besucher in den darunter liegenden See gestürzt haben soll.
Die Legende vom Aggsteiner Rosengärtlein entstand erst im 17. Jahrhundert, zu einer Zeit, in der ein Rosengarten nur mehr Ort der Schönheit und Erholung war. Einen Ort des Schreckens und des Todes als "Rosengärtlein" zu bezeichnen, wie die Legende erzählt, unterstrich die Grausamkeit des "Raubritters" auf Aggstein.
(Quellen: Brüder Grimm, Deutsche Sagen Bd. 2, 3. Aufl. 1891 [1. Aufl. 1818], Nr. 507; Die Kuenringer - Das Werden des Landes Niederösterreich, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 110, 1981, S. 370ff.)