Biographie
Egon Schieles Vater war Stationsvorstand in Tulln, weshalb Schiele seine gesamte Kindheit und Jugend in der Nähe von Bahnhof und Zügen verbrachte. Statt seine Schulaufgaben zu erledigen, zeichnete er tagelang Züge auf Papierrollen. Diese Eisenbahnzeichnungen waren ein erstes Festhalten gewonnener Eindrücke, aus denen sich später das reichhaltige Schaffen des Künstlers entwickelte.
Mit zehn Jahren besuchte Schiele das Realgymnasium in Krems, wegen seines schlechten Schulerfolgs schickt ihn sein Vater im Herbst 1902 nach Klosterneuburg an das Landes-Real- und Obergymnasium. Auch hier waren die Lernerfolge gering - die Lehrer beschwerten sich, er störe den Unterricht durch Zeichnen - , doch erkannte sein Zeichenlehrer Ludwig Karl Strauch seine künstlerische Begabung und förderte ihn. Als sich der Gesundheitszustand seines Vaters zunehmend verschlechterte und er schließlich seinen Dienst nicht mehr versehen konnte, übersiedelte die ganze Familie nach Klosterneuburg.
Von 1906 bis 1909 studierte Schiele an der Wiener Akademie der bildenden Künste und malte anfänglich im impressionistischen Stil, bevor er unter den starken Einfluss von Gustav Klimt und des Wiener Jugendstils geriet. Bereits seit 1908 vernachlässigte er jedoch die dekorative Ornamentik des Jugendstils zu Gunsten einer entblößenden Expressivität und näherte sich damit Oskar Kokoschka an. Schiele verließ 1909 die Akademie und gründete gemeinsam mit anderen avantgardistischen Künstlern die "Neukunstgruppe". Er entwickelte eine spannungsvolle, ornamentale Liniensprache.
Sein aggressiv-hektischer zeichnerischer Stil, der sich durch scharfe Präzision der Linienführung und ornamentale Flächigkeit in der Farbsetzung auszeichnet, sowie seine betont deformierenden Aktdarstellungen, die, zumeist in eindeutig erotischen Stellungen, zu seiner Zeit als Pornografie verurteilt wurden, zeigen Schiele als Zeitgenossen Sigmund Freuds. Wegen "unmoralischer Zeichnungen" wurde Schiele 1912 sogar fast einen Monat in Neulengbach inhaftiert. Auch sein Aufenthalt in Cesky Krumlov (Krumau) fand ein jähes Ende, weil er junge Mädchen für Akte Modell sitzen ließ, was auf heftige Ablehnung der Bevölkerung stieß.
Schieles umfangreiches Werk umfasst neben Aktdarstellungen und Porträts (vor allem Selbstbildnisse) auch Landschaften (vor allem das Motiv der alten Stadt). Erst kurz vor seinem Tod, anlässlich seiner Beteiligung an der Ausstellung der Wiener Secession im Jahr 1918, fand er internationale Anerkennung. Schiele gehört mit Kokoschka zu den Wiener Wegbereitern des Expressionismus, sein Einfluss auf die nachfolgende Generation war beträchtlich. Besonders die Zeichnungen und Aquarelle zählen zu den Meisterleistungen der Kunst des 20. Jahrhunderts. Er starb 1918 mit erst 28 Jahren in Wien an der Spanischen Grippe.