Biographie
Arnold Schönberg ist einer der einflussreichsten Komponisten und Musiktheoretiker des 20. Jahrhunderts, dessen radikaler Bruch mit der musikalischen Tradition völlig neue Wege wies. Die Geburtsstätte der von ihm entwickelten Zwölftontechnik ist Mödling, wo Schönberg von 1918 bis 1925 im Haus Bernhardgasse 6 lebte und arbeitete. Das Schönberg-Haus ist heute eine Gedenk-, Dokumentations- und Forschungsstätte.
Geboren und aufgewachsen in Wien als Sohn eines jüdischen Schuhmachers, erlernte er als Kind Violine und begann als noch nicht Neunjähriger zu komponieren, indem er Stücke anderer Komponisten nachahmte. Schönberg war im Wesentlichen Autodidakt. Sein erstes vollständig erhaltenes Werk für Gesang und Klavier komponierte er 1893 als 19-Jähriger ("In hellen Träumen hab ich Dich oft geschaut"). In den folgenden Jahren fand er in Alexander Zemlinsky einen künstlerischen Mentor, engen Freund und schließlich Schwager, nachdem er dessen Schwester Mathilde geheiratet hatte (1901). Mit ihr hatte er zwei Kinder, Gertrud und Georg.
In jungen Jahren war Schönberg als Chorleiter tätig und leitete u.a. den Metallarbeiter-Sängerbund Stockerau und den Mödlinger Arbeitergesangverein "Freisinn". Wie schon viele Künstler vor ihm ließ auch er sich von der Landschaft im südlichen Niederösterreich inspirieren. So entstand im September 1899 in Payerbach eines seiner bekanntesten Werke, das Streichsextett "Verklärte Nacht"; ein frühmorgendlicher Spaziergang auf dem Anninger bei Mödling soll ihm wesentliche Inspirationen für den III. Teil der "Gurrelieder" gegeben haben.
1901 brachten ihm die Komposition der sog. "Brettllieder" (posthum benannt) schließlich eine Anstellung als Kapellmeister am Kabarett "Überbrettl" in Berlin, wo er bis 1903 lebte und dann wieder nach Wien zurückkehrte.
Die frühen Kompositionen Schönbergs standen in der für die Jahrhundertwende typischen spätromantischen Tradition mit großem Orchester und oft literarischem Hintergrund (z. B. die symphonischen Dichtungen "Frühlings Tod" und "Pelleas und Melisande", die "Gurrelieder", das Opernfragment "Die Schildbürger"). Das letzte Werk dieser Periode war die Erste Kammersymphonie für 15 Soloinstrumente, die er 1906 vollendete.
1908 brach Schönberg mit der musikhistorischen Tradition durch Auflösung der Tonalität. Er komponierte nicht mehr im herkömmlichen Dur-Moll-tonalen System, sondern "atonal" bzw. "atonikal", wie er es selbst nannte. Als Schnittpunkt im Schönberg'schen Werk gilt das II. Streichquartett op. 10, das er im Sommer 1908 in Gmunden am Traunsee abschloss. Etwa zeitgleich begann auch einer seiner ersten Schüler, Anton Webern, atonal zu komponieren. Diese expressionistische Phase (bis etwa 1921) führte allerdings nach Schönberg in eine Sackgasse, da für jede neue Komposition ein neuer Material- und Regelkatalog entworfen werden musste.
1918 wurde ihm die Wiener Wohnung gekündigt und Schönberg zog mit seiner Familie nach Mödling, das ihm von früheren Aufenthalten vertraut war. Die Wohnung im Hochparterre in der Bernhardgasse 6 wurde bis Ende 1925 seine Wirkungsstätte, wo er komponierte, unterrichtete und mit seinen Schülern und Freunden diskutierte. Sein Arbeitszimmer war mit einem Klavier, einem Harmonium, Geigen, Viola und Violoncello ausgestattet. Für seine zahlreichen Schüler - in jener Zeit über 100 - gab er gemeinsame Kurse in Komposition. Den engsten Schülerkreis bildeten Anton Webern, der sich ebenfalls in Mödling niedergelassen hatte, und Alban Berg; aber auch Oskar Kokoschka und Adolf Loos, mit dem Schönberg eine enge Freundschaft verband, gehörten zu seinen Gästen. Zur Verbreitung zeitgenössischer Musik gründete er den "Verein für musikalische Privataufführungen". 1924 dirigierte er auf Bitten der Stadt eine Benefizkonzert zugunsten notleidender Deutscher, das aufgrund des großen Erfolges wiederholt werden musste.
Historische Bedeutung erlangte das Mödlinger Haus durch die Entwicklung der "Methode des Komponierens mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen", die Schönberg im Februar 1923 einigen Freunden und Schülern vorstellte. Seinem Schüler Josef Polnauer zufolge begann damit "ein neues Kapitel in der Geschichte der Musik". Durch die Neuordnung des musikalischen Materials revolutionierte Schönberg den traditionellen Harmoniebegriff und legte die Grundlage für ein neues Konstruktionsverfahren, mit dem er nun jedem Werk theoretisch ein inneres Gefüge geben konnte. Von seinen Schülern wurde die Zwölftonmethode begeistert aufgegriffen und weiterentwickelt. Schönberg selbst benutzte sie bis auf Ausnahmen sein ganzes Leben lang. Ein schwieriges Verhältnis verband ihn allerdings mit seinem musikalischen Rivalen Josef Matthias Hauer, der ebenfalls Kontakt zum Mödlinger Kreis hatte, aber unabhängig von Schönberg einige Jahre vor ihm auch ein Zwölftonsystem entwickelt hatte und nun - wenn auch erfolglos - dessen Priorität geltend machte.
In Schönbergs Mödlinger Zeit fiel auch der Tod seiner ersten Frau Mathilde, die 1923 starb. Knapp ein Jahr später heiratete er Gertrud Kolisch, die Schwester seines Schülers Rudolf Kolisch aus Klamm am Semmering, mit der er drei Kinder hatte (Nuria, Ronald, Lawrence). Sein Schwager war Geiger und setzte sich später mit seinem Streichquartett sehr für die Verbreitung der Musik Schönbergs ein.
Im August 1925 wurde Schönberg zum Leiter der Meisterklasse für Komposition an die Preußische Akademie der Künste in Berlin berufen. Er gab seine Mödlinger Wohnung auf und zog nach Berlin. 1933 wurde er unter dem NS-Regime aus "rassischen Gründen" von der Akademie ausgeschlossen. Er rekonvertierte zum jüdischen Glauben - in seiner Jugend war er zum Protestantismus konvertiert - und emigrierte noch im selben Jahr in die USA. Ab 1936 lehrte er bis zu seiner Emeritierung 1944 als Professor an der University of California in Los Angeles. 1947 wurde er zum Mitglied der American Academy of Arts and Letters gewählt, 1949 verlieh ihm die Stadt Wien anlässlich seines 75. Geburtstags die Ehrenbürgerschaft. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes konnte Schönberg aber nicht mehr nach Europa reisen. Er starb 1951 im 77. Lebensjahr in Los Angeles. Sein umfangreicher Nachlass (Manuskripte, Fotos, Bibliothek) wurde 1998 in das Arnold Schönerg Center in Wien transferiert (www.schoenberg.at).
Schönbergs umfangreiches musikalisches Werk wird in drei Perioden eingeteilt: die spätromantische, die expressionistische und die Zwölftonperiode ab etwa 1921. Einige seiner besten Werke entstanden erst in Amerika oder wurden dort vollendet, darunter sein IV. Streichquartett (1936), die Chorkomposition "Kol Nidre" nach dem Gebet zu Jom Kippur (1938), die schon 1906 begonnene Zweite Kammersymphonie (1940) oder die Kantate "A Survivor from Warsaw" (1947) für Sprecher, Männerchor und Orchester über das Warschauer Ghetto. Unvollendet blieben die Kantate "Die Jakobsleiter", der Zyklus "Moderne Psalmen" und der dritte Akt der Oper "Moses und Aaron", die trotzdem ein großer Erfolg wurde und als eines der ausdrucksstärksten Werke Schönbergs gilt. Größte Bedeutung für die Musik des 20. Jahrhunderts haben auch seine grundlegenden musiktheoretischen Werke (u.a. "Harmonielehre" 1911, "Fundaments of Musical Composition" 1948). Der mit Alban Berg, Anton Webern und anderen Schülern und Gleichgesinnten entstandene Kreis um Schönberg wird als Zweite Wiener Schule bezeichnet.
Quellen:
www.schoenberg.at/1_as/bio/biographie.htm; www.schoenberg.at/3_moedling/schoenberg_in_moedling.htm
P. Erhart, Niederösterreichische Komponisten, 1998, Doblinger Wien, S. 153f.