Marlene Streeruwitz über "Tolmezzo"
"Im Verlauf unserer Geschichte ist die Mittelschicht zum Träger der postautoritären Gesellschaften geworden, die im Versuch von Demokratie als einziges Ausdrucksmittel das Geld und die Sprache legitimiert. Die Rüdheit des Geldes ist bekannt. Unverändert. Und anerkannt. In der Sprache ist es nicht viel anders. Diese Gesellschaft gibt sich mit oberflächlichen Verschönerungen in der Behauptung von Vergangenheitsbewältigungen zufrieden. Im Handeln geht es weiterhin zu, als wären der Morgenstern und die Daumenschrauben die Mittel der Durchsetzung. Im Grunde lebt diese Gesellschaft wie die Kinder, die, wenn sie zu den Erwachsenen gerufen werden, "ordentlich" reden. Im Kinderzimmer leisten sie sich dann alle Schweinerein. Mit allen Hackordnungen und Foltermethoden, die ihnen die autoritären Systeme des absolutistischen Zentralstaats, der faschistischen Regime und der katholischen Religion hinterließen. Dieses Stück spielt mehr und mehr im Kinderzimmer." (aus: Programmheft zur Uraufführung von "Tolmezzo" im Schauspielhaus am 7.6.1994, S.9)