Breitenfurt bei Wien


Gemeinde Breitenfurt bei Wien

Ortsgeschichte

Die Marktgemeinde Breitenfurt liegt im ehemaligen Wienerwald-Urwaldgebiet. Sie erstreckt sich im Tal der Reichen Liesing. Während die Umgebung (Mauer, Kaltenleutgeben und Perchtoldsdorf) neolithische Funde aufzuweisen hat, fanden sich auf dem Gemeindegebiet von Breitenfurt bisher nur Tonscherben aus der älteren Eisenzeit (Hallstattkultur, ca. 800–400 v. Chr.), der jüngeren Eisenzeit (La-Tène-Kultur, ca. 400-0 v. Chr.) und Streufunde aus der Römerzeit. Als das Gebiet zur babenbergischen Ostmark kam (Ende 10. Jahrhundert), folgten eine weitere Besiedlungsphase und die Erschließung des dahinterliegenden Waldlandes. Ab 1220 war der Wienerwald als landesfürstlicher Besitz in mehrere Ämter (später „Waldämter“, eines davon in Laab) eingeteilt. Bis ins 16. Jahrhundert gehörte der westliche Teil Breitenfurts zum kaiserlichen Bannwald. Der Wald wurde damals hauptsächlich für die Jagd, nicht aber für Besiedelung und Holzwirtschaft genutzt. Das änderte sich erst im 17. Jahrhundert.

Der erste Nachweis für den Ortsnamen findet sich 1544 in den Rodauner Herrschaftsakten mit dem Flurname preitten furtt. Die Deutung geht in Richtung „bei dem breiten Übergang“. Hiermit könnte eine Furt an der Liesing oder der Höhenübergang ins Liesingtal gemeint sein. Eine Ansiedlung entstand vermutlich in den Jahren zwischen 1591 – eine Beschreibung des Viertels kennt noch keine Ansiedlung – und 1623. Am 2. Jänner dieses Jahres erhielt der Laaber Dorfrichter und Förster Lienhardt Hochleuttner von Kaiser Ferdinand II die erbetene „Schank- und Taferngerechtigkeit“ für ein von ihm in Praittenfurtt errichtetes Haus, das älteste Steinhaus Breitenfurts. Es stand an der Stelle des heutigen Wiesenwirtshause (An der Breiten Furt 7). Der Ort geht jedenfalls auf eine Ansiedlung von Forstarbeitern aus Steiermark, Salzburg und Bayern zurück, die dafür sorgen sollten, den ständig steigenden Holzbedarf Wiens zu decken. Die Arbeiter erhielten die erforderlichen Geldmittel und das Material für die Errichtung von Unterstandshütten, den sog. Duckhütten (von „ducken, bücken“) in Breitenfurt, Hochroterd und später in Höniggraben; sie waren dem Waldamt Purkersdorf untertänig. Als die Zeit der Großrodungen im Quellgebiet der Liesing vorüber war und die „Hüttler“ arbeitslos wurden, gestand man ihnen das Recht auf Viehhaltung und Weidebenützung zu und überließ ihnen gegen einen Jahresbeitrag Grund und Boden. 1678 zählte man im Amt Reichliesing 40 Ganz-, 9 Halb- und 14 Viertelhüttler. Während des Einfalls der Osmanen 1683 wurde die Siedlung zerstört, nur wenige der Bewohner überlebten.

1703 heiratete Gregor Wilhelm von Kirchner, Ministerial-Blanko-Deputationsbuchhalter, Bergrats und Oberaufseher Kaiser Karls VI. Anna Christina von Rosenberger, die Witwe des Breitenfurter Gutsbesitzers Christoph von Rosenberger. Er ließ zwischen 1714 und 1732 auf dem vom Kaiser geschenkten Ländereien ein gewaltiges Schloss über einem W-förmigen Grundriss durch den Hofarchitekten Anton Erhard Martinelli errichten. Für die Ausstattung beschäftige er die wichtigsten Künstler seiner Zeit: den Bildhauer Georg Raphael Donner, die Maler Daniel Gran und Bartholomäus Altomonte, den Bildhauer Giovanni Giuliani und den Orgelbauer Johann Hencke. Da Kirchner kinderlos blieb, vermachte er seine Besitzungen dem Kaiser mit der Auflage, neben dem bereits existierenden Spital ein Altersheim und eine Schule im Schloss einzurichten. Das Schloss sollte 40 arbeitsunfähigen Waldarbeitsuntertanen Obdach gewähren. Kirchner starb bereits 1735. Unter Joseph II. wurde das „Kirchnersche Altersheim“ 1784 aufgelöst und die Insassen in das Zentralarmenhaus nach Mauerbach überstellt. Das Stiftungsvermögen wurde eingezogen. Die Schlosskapelle wurde in den Rang einer Pfarrkirche erhoben. Der Schlossbesitz wurde aufgeteilt und verkauft. Von der prächtigen Schlossanlage sind heute nur mehr die Schlosskapelle als Pfarrkirche hl. Johannes Nepomuk und Teile der Flügeltrakte erhalten, die heute als Pfarrhof bzw. für Wohnzwecke genützt werden. Im 18. Jahrhundert lebten in Breitenfurt einzelne Einsiedler – auch Eremiten oder Waldbrüder genannt. Die Breitenfurter Eremitage gehörte zum Schloss und stand im südlichen vorderen Schlossgarten. Für Breitenfurt ist nur eine einziger Eremit namentlich bekannt, Frater Benno Pitner, der im Alter von 43 Jahren am 2. Mai 1776 verstarb. Dann stand die Eremitage leer.

Während der Napoleonischen Kriege hatte die Bevölkerung besonders unter den Requirierungen 1805 und 1809 zu leiden. Mit der Revolution von 1848 und der Aufhebung der Grundherrschaft wurde Breitenfurt ein eigenständiges Gemeindewesen. 1850 wurde ein Gemeindegesetz erlassen und ein Bürgermeister und der Gemeinderat gewählt. Der erste Bürgermeister war Georg Siegl. Einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten Ort und BewohnerInnen im 19. Jahrhundert als Lieferanten landwirtschaftlicher Produkte für die Haupt- und Residenzstadt Wien. Breitenfurt und das Liesingtal wurden ein beliebtes Ausflugsziel der WienerInnen. Der Zeiserlwagen brachte an den Wochenenden erholungssuchende Großstädter aufs Land; die Gasthäuser florierten. Eine Spezialität war der von Anna Stelzer aus Laab produzierte „Breitenfurter Milchrahmstrudel“.  

Die wachsende Einwohnerzahl führte dazu, dass Breitenfurt am 26. Februar 1930 zum Markt erhoben wurde. Gleichzeitig wurde der neuen Markgemeinde ein Wappen verliehen, dem als Vorlage das Wappen des ehemaligen Schlossherren Gregor Wilhelm Kirchner diente, das an dessen Bronzesarkophag in der Gruft der Pfarrkirche St. Johann Nepomuk angebracht war. Das Wappen zeigt auf blauem Schild in der rechten Hälfte die Ruine des kaiserlichen Jagdschlösschens, in der linken das neue Barockschloss. Der Anker über der Ruine gilt als Symbol der Hoffnung. Weg und Bach im Vordergrund symbolisieren den Namen der Marktgemeinde.   

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde der Ort in die Stadt Wien eingemeindet und war Teil des 25. Gemeindebezirkes. Erst 1954 erlangte er wieder seine Selbstständigkeit und wurde nach Niederösterreich rückgegliedert. Er galt als Notstandsgemeinde und zählte zu den finanzschwächsten Gemeinden in Niederösterreich. Die Nähe zur Landeshauptstadt und zu den Industriezentren des Wiener Beckens wurde Breitenfurt zu einem bevorzugten Wohn- und Siedlungsgebiet. Heute umfasst der Markt Breitenfurt die Katastralgemeinden Breitenfurt und Hochroterd.