Gars am Kamp (Gars-Thunau)


Gemeinde Gars am Kamp

Ortsgeschichte

Das Gebiet um Gars hat eine bis in die Jungsteinzeit zurückreichende Siedlungstradition. Anstelle einer prähistorischen Siedlungsstätte entstand um 800 bei Thunau ein lokales slawisches Herrschaftszentrum auf der „Holzwiese" auf dem Schanzberg. Die durch einen Wall befestigte Höhensiedlung wurde um 900 ausgebaut und vermutlich im Zuge der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert zerstört. Die ältere These, sie wäre 1041 von den Babenbergern zerstört worden, gilt inzwischen als widerlegt. 

Im Laufe des 11. Jahrhunderts wurde Gars (Gorze) babenbergisch. Unweit der alten slawischen Anlage entstand auf dem Taborberg vermutlich eine - möglicherweise nach der Schlacht von Mailberg (1081) gegründete - pfalzartige Residenz der Babenberger, die vorübergehend zum regionalen Zentrum des Landesausbaus nördlich der Donau wurde und wohl den Machtanspruch der Babenberger im neu gewonnenen Gebiet dokumentieren sollte. Diese residenzartige Anlage ist archäologisch allerdings nicht nachweisbar, denn der älteste erhaltene Bauteil der Burg, das so genannte "Feste Haus" auf der Hügelkuppe, wird in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert. 

Die St.-Gertrud-Kirche unterhalb der Burg war Pfarrkirche für einen großen Bereich, zu dem auch Eggenburg zählte. Die Pfarre Gars gehörte zu jenen 13 Pfarren, deren Zehente 1135 Markgraf Leopold III. dem Bischof von Passau übergab. Die Burggrafen von Gars, erstmals 1114 mit Erchenbert als Gorzensis castellanus erwähnt, wurden ein einflussreiches landesfürstliches Ministerialengeschlecht und waren mit großer Sicherheit mit den Kuenringern verwandt. Unter ihnen erfolgte der Ausbau der Burg mit einem gewaltigen Mauerring, einem achteckigen Turm und einem repräsentativen Torbau mit Kapelle im Obergeschoß.

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts dürfte die etwa einen Kilometer südlich von Gars auf einem Felssporn liegende Burg Schimmelsprung errichtet worden sein. Um 1200 wird ein wohl zur landesfürstlichen Gefolgschaft im Kamptal gehörender Heinrich von Thunau (Tumbenowe) genannt. Die möglicherweise von den Garser Burggrafen gegründete Herrschaft bestand allerdings nur kurze Zeit, die Burg dürfte im 14. Jahrhundert aufgegeben worden sein.

Nach dem Aussterben der Burggrafen von Gars 1367 waren bis 1430 die Maissauer Herrschaftsinhaber, danach wurde die Herrschaft Gars als landesfürstliche Pfandschaft an diverse Adelige ausgegeben, darunter an die Fronauer, Eitzing, Lamberg, Neidegg und Teufel. Die Burg war im Mittelalter Mittelpunkt eines großen landesfürstlichen Forstgebietes (Horner Wald, Gföhler Wald). Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Kamps entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der Markt, dessen Bewohner 1279 „Bürger" genannt werden und der 1410 ein Marktsiegel erhielt. Die Marktkirche wurde 1797 anstelle der Gertrudkirche Pfarrkirche.

Die Stellung als landesfürstlicher Markt sowie die verkehrsgünstige Lage brachte eine gewisse wirtschaftliche Blüte, von der die Renaissancebauten des Ortes - der stattliche Pfarrhof aus dem Jahr 1595 und das Rathaus - zeugen. 1585 erbaute der Garser Bürger Steffan Schury das Gwölb, aus dem 1710 das älteste Handelshaus Österreichs hervorging, das heute noch bestehende Handelshaus Kiennast (www.kiennast.at).

Unter den Freiherren von Teufel wurde die mittelalterliche Burganlage im 16. Jahrhundert schlossartig ausgebaut. Die Teufel gehörten zu den führenden evangelischen Adeligen des Landes und holten Prädikanten auf das Schloss, die großen Zulauf hatten. 1608 wurden ihnen die Herrschaft entzogen, die ab 1622 als freies Eigen zunächst im Besitz des katholischen Finanziers Vinzenz Muschinger und dann seines Schwiegersohnes Ferdinand Sigmund von Kurz (bis 1666) war. Unter den Freiherren von Oppel (1667-1701) und den Freiherren bzw. späteren Grafen Rottal (ab 1709) erfolgten wiederholt Neubauten, doch begann ab dem 18. Jahrhundert der langsame Verfall der Burg, beschleunigt durch Blitzschlag und Brände. Aufgrund der Dachsteuer wurde die Burg um 1800 abgedeckt und verfiel endgültig. Ab 1829 war sie im Besitz der Familie Croy, die sie 1966 verkaufte. Seit 1996 ist die Marktgemeinde Besitzerin einer der größten Burgruinen des Landes.

Nach der Eröffnung der Kamptalbahn 1889 entdeckte das Wiener Großbürgertum Gars als Sommerfrische. Es entstanden ein Strandbad, der Kurpark als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, ein Villenviertel und das am Thunauer Ufer gelegene alte Kampbad. Mit fast 80 000 Nächtigungen pro Jahr lag Gars Anfang des 20. Jahrhunderts niederösterreichweit an zweiter Stelle hinter Baden. Berühmtester Gast war jahrelang Franz von Suppé, Mitbegründer der klassischen Operette, der im Haus Hannstraße 27 den „Boccaccio" komponierte.

Mittelpunkt von Gars ist heute der späthistoristische Kamptalhof, der in den 1980er Jahren von Willi Dungl in ein Gesundheitszentrum (1986 eröffnet) umgebaut wurde und den Ort weit über die Grenzen des Landes bekannt machte. Durch die Geschichte des Marktes führt das Zeitbrücke-Museum, das eine Gedenkstätte für Franz von Suppé, das erste österreichische Handelsmuseum und das Heimatmuseum mit Dauer- und Sonderausstellungen umfasst.