Klosterneuburg


Gemeinde Klosterneuburg

Gründung des Stiftes Klosterneuburg

Die Grundsteinlegung der Stiftskirche am 12. Juni 1114 gilt als eigentliches Gründungsdatum des Stiftes, der Vorgang der Gründung reicht allerdings weiter zurück. Wann das Klosterneuburger Stift entstand, lässt sich nicht genau sagen. Die älteste urkundliche Nachricht im Klosterneuburger Traditionsbuch, das alle Schenkungen an das Kloster verzeichnet, wird in das Jahr 1108 datiert. Sie besagt, dass Bischof Hermann von Augsburg, als er Kaiser Heinrich V. auf seinem Heerzug nach Ungarn begleitete, am Ort Angehörige seiner Familie vorfand. Auf ihre Bitte schenkte er sie dem Marienaltar zu Neuburg, so wurden sie zu Zensualen und hatten künftig keine weiteren Pflichten, als jährlich fünf Pfennige zu zahlen. Dies galt damals als die größte Freiheit, die Menschen erreichen konnten, wenn sie nicht Krieger waren. Markgraf Leopold III. und Personen seines Hofstaates waren Zeugen der Schenkung, während der königliche Hofstaat, der sich in der Gegend befand, nicht erwähnt wird.
Diese Schenkung war Anlass für zahlreiche Theorien. Verweist der erwähnte Marienaltar bereits auf das Bestehen eines älteren Stiftes oder handelt es sich um eine Kirche der Siedlung "Neuburg", die im 11. Jahrhundert innerhalb der Mauern des römischen Kastells entstanden war und in der es auch Kirchen gab? Die für Verwirrung sorgende Notiz ist allerdings undatiert - die Datierung ergibt sich aus dem Heerzug des Kaisers im Jahr 1108 - und wurde erst Jahrzehnte später um 1140 in das Traditionsbuch eingetragen. Die Schenkung hat sich vielleicht nicht 1108, sondern erst später zugetragen und wurde nur mit dem kaiserlichen Heerzug verbunden. In diesem Fall wäre mit dem Marienaltar das neu gegründete Stift gemeint.
Der Gründungsvorgang dauerte mehrere Jahre, vielleicht konnte dem Kaiser 1108 schon die Baustelle der geplanten Burg und des Klosters gezeigt werden. Seit 1113 begann der Markgraf mit seinen großen Güterschenkungen an das Stift Neuburg, doch war es damals wohl noch im Entstehen. Der Neubau der Stiftskirche dauerte weitere zwei Jahrzehnte - als größtes und prächtigstes Gotteshaus des Landes wurde sie am 29. September 1136 geweiht. Ob Leopold III. dabei an eine Kathedrale eines künftigen Landesbistums dachte, muss offen bleiben. Sein Sohn Otto, später Bischof von Freising, wurde im Alter von 14 Jahren zum Propst des Stiftes ernannt (ca. 1126). Man schickte ihn zum Studium nach Paris, doch trat er entgegen der Pläne des Vaters in den jungen Orden der Zisterzienser ein und wurde Abt der Zisterze Morimond.
Das Stift war ein markgräfliches Eigenstift weltlicher Kanoniker. Auf Betreiben der Bischöfe Konrad von Salzburg, Reginmar von Passau und Roman von Gurk, die 1133 in Klosterneuburg eine Synode abhielten, sollte das Stift in ein Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt werden. Im Interesse der Kirchenreform dachte man seit dem Investiturstreit im 11. Jahrhundert daran, dem gesamten Seelsorgeklerus die Augustinus-Regel vorzuschreiben: gemeinsames Essen, gemeinsame Schlafstatt sowie gemeinsame Einkünfte. Es war zwar nicht durchführbar, alle Priester in ein Kloster zu schicken, doch entstanden aus dieser Idee die Augustiner-Chorherrenstifte, die sich als Klöster der Augustinus-Regel unterwarfen, schwerpunktmäßig aber in der Pfarrseelsorge wirkten. Die regulierten Stifte (Regularkoniker) waren Zentren der Reform und wurden daher von den Reformbischöfen sehr gefördert.


Die Bischöfe waren in Bezug auf Klosterneuburg erfolgreich. Der Markgraf stimmte der Umwandlung zu, als erster Propst wurde der selige Hartmann (1133-1140), später Bischof von Brixen, berufen, der schon im Domkapitel von Salzburg und in Herrenchiemsee erfolgreich reformerisch tätig gewesen war. Die weltlichen Kanoniker wurden entlassen und versorgt, in Klosterneuburg zogen Chorherren aus St. Nikola, Chiemsee, Rottenbuch und aus dem Salzburger Domstift ein. Markgraf Leopold übergab das Kloster dem Apostolischen Stuhl und Papst Innozenz II. nahm es 1137 in seinen päpstlichen Schutz. Da fast alle Chorherrenstifte Doppelklöster waren, gründete Propst Hartmann neben dem Herrenstift ein Kloster für Augustiner-Chorfrauen, deren Kirche der hl. Maria Magdalena geweiht wurde. Das Stiftungsgut soll aus dem Vermögen der Markgräfin Agnes gestammt haben. Sie gilt als Stifterin und ihr Todestag wurde im Frauenstift alljährlich begangen.
Das Stift stand fortan in enger Verbindung zum Salzburger Reformkreis und wurde zu einem Stützpunkt der Kirchenreform sowie der päpstlichen Partei. In geistiger Hinsicht stand es unter dem Einfluss des bedeutenden Theologen Gerhoch von Reichersberg, der eine an der Bibel und an den Kirchenvätern orientierte Theologie vertrat und der neu aufkommenden Scholastik kritisch gegenüberstand. Diese biblisch-patristische Theologie fand ihren Ausdruck auch im Schmuck der Klosterneuburger Kanzel des Nikolaus von Verdun, des späteren "Verduner Altars".
(Quelle: F. Röhrig, Die Gründung des Stiftes Klosterneuburg, in: Der heilige Leopold - Landesfürst und Staatssymbol, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 155, 1985, S. 26ff.)