St. Johann in Engstetten


Gemeinde Sankt Peter in der Au

Ortsgeschichte

Mitten im Herzen des Mostviertels liegt die Kirchsiedlung St. Johann in Engstetten. Heute ist sie eine Katastralgemeinde des südlich gelegenen Marktes St. Peter in der Au. Die älteste Erwähnung findet sich in einem Güterverzeichnis des Stiftes Garsten. Laut dem Eintrag übertrug um 1110 eine Adelige namens Bertha zum frommen Nutzen der Kirche des heiligen Johannes zwölf Bauerngüter in Enggizinstetin dem Stift Garsten. Diese Einkünfte ermöglichten dem Stift Garsten die Gründung einer Eigenkirche, die von Weltpriestern betreut wurde. Grabungen liefern Belege für einen bereits im 12. Jahrhundert existierenden Friedhof im Bereich hinter der Apsis. Dies belegt, dass die Kirche bereits zu dieser Zeit das Begräbnisrecht besaß. Bis etwa 1367 blieb sie eine Pfarre des Stiftes Garsten. Dann wurde sie zur Filiale der Pfarre Wolfsbach und kam damit an das Stift Seitenstetten. In der Folge verschwindet der Name Engstetten aus den Urkunden, der Ort wird nur mehr mit Sant Johansphar bezeichnet. Erst im 15. Jahrhundert wird – vermutlich zur besseren Unterscheidung – zu Engstetin hinzugefügt.

Vom romanischen Kirchenbau konnte anlässlich der durchgreifenden Restaurierung 1960 Reste der Apsis im Bereich des Triumphbogens ergraben werden. Um 1500 errichtete man den heutigen Kirchenbau, eine Hallenkirche mit vorgestelltem Westturm und eingezogenem Chor. 1996 konnte am Außenbau unter der Traufe des Chores u.a. ein in Freskotechnik ausgeführter Spitzbogenfries mit stilisierten Lilien und Zweigen freigelegt werden. Die zweischiffige Halle wölbt ein vernetztes Rippengewölbe ein. Die heute den Innenraum dominierende Färbelung der Kreuzgrate geht auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück. Der Eingang erfolgt durch ein spätgotisches verstäbtes Schulterportal. Von der spätbarocken Ausstattung ist noch das Hochaltarbild erhalten, eine Taufe Christi, 1792 durch Martin Johann Schmidt geschaffen. Im Zuge der Restaurierung 1960 schuf Lydia Roppolt (1922-1995) als Altarfresko im Chorraum eine Kreuzigung Christi. Die Gestaltung des Freskos stieß auf heftigen Widerstand und musste 1965 hinter einem Vorhang verborgen werden. Seit der Neugestaltung des Innenraums 2016 ist das Fresko wieder sichtbar.   

1647 richtete das Stift Seitenstetten in St. Johann ein Vikariat ein, das von einem Pater excurrendo (d.h. pendelnd zwischen Stift und Pfarre, kein fester Wohnsitz im Vikariat) betreut wurde. Die das Gotteshaus betreuenden Mesner gingen auch hier wie anderswo noch anderen Erwerbszweigen nach, um sich ihr Salär aufzubessern. Um 1770 war der Mesner auch Schulmeister und das Mesnerhaus wurde als Schullhaus bezeichnet. Zumindest religiöse Unterweisungen gab es schon im 17. Jahrhundert, wie die Kirchenrechnungen mit Ausgaben umb die Kinderlehrsachen vermuten lassen.

Als der neue Pfarrhof 1804/05 durch den Maurermeister Johann Stökler aus Ybbsitz errichtet wurde, erwarb der damalige Mesner das Mesnerhaus, auf dem auch seit alters her eine Schankgerechtigkeit lag, und war in der Folge als Wirt, Mesner und Schulmeister tätig. In den neuen Pfarrhof zog 1808 ein ortsfester Pfarrer ein. Laufende Proteste gegen den mangelhaften Schulunterricht führten zur Schließung des Schulbetriebes im Wirtshaus. Die schulpflichtigen Kinder mussten nun die Schulen in den Nachbarorten – St. Peter in der Au, Wolfsbach, Haag und Weistrach – besuchen.

Schweickhardt berichtete in seiner Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens 1838 von einem Pfarrdorf mit 60 Häusern, in denen 72 Familien (143 Männer, 191 Frauen und 30 schulpflichtige Kinder) lebten. Der Viehstand belief sich auf 57 Pferde, 96 Ochsen, 276 Kühen, 196 Schafe und 120 Schweine. Die meisten Einwohner lebten von der Landwirtschaft. An Gewerben waren zwei Müller, ein Bäcker, ein Binder, ein Weber, ein Hufschmied und ein Schuhmacher vertreten. Zwei Wirtshäuser sorgten für Speisen und Trank.  

Durch die Aufhebung der Grundherrschaft 1848 und der Organisation des Gemeindewesens wurde St. Johann zu einer eigenständigen Gemeinde. Die ab 1856 in Planung befindliche Kaiserin-Elisabeth-Westbahn führte direkt bei St. Johann vorbei. Die notwendigen Grundabtretungen stießen nicht bei allen Betroffenen auf Gegenliebe. Denn viel brachte die Bahn dem Ort zunächst nicht ein, da die Einrichtung einer Haltestelle erst 1889 erfolgte. Diese scheiterte zunächst auch am Widerstand der Gemeinde, da der Bau einer Interessentenhaltestelle mit einer erheblichen Summe unterstützt werden musste. Noch lange dauerten auch die Auseinandersetzungen zwischen dem Bezirksamt St. Pölten, der Gemeindevorstehung von St. Johann und dem Stift Seitenstetten um die Einrichtung einer geeigneten Schule. Streitpunkte waren die Kostenübernahmen bzw. -aufteilung für Neubau, Ausstattung und Erhalt der Schule sowie Gehalt des Lehrers. Zwar hatte die Gemeinde bereits 1863 ein Grundstück erworben, zum Neubau kam es aber erst 1902.

1929–1932 und 1937/38 wurde St. Johann von zwei Brandserien heimgesucht, die vermutlich auf Brandstiftung zurückgingen. Während des Zweiten Weltkrieges waren französische Gefangene als Fremdarbeiter in zwei Lagern interniert. Nach dem Zusammenbruch der Deutschen Wehrmacht fuhren am 8. Mai 1945 die ersten Soldaten der US-Armee durch den Ort; einen Tag später kamen Soldaten der Roten Armee. Ab 24. Mai bezogen mehr als 100 Soldaten einer technischen Einheit Quartier in St. Johann, Ende Juni wurden sie nach Weistrach verlegt. Im November suchten sudetendeutsche Flüchtlinge aus Höflein an der Thaya (heute Hevlín) in der Gemeinde Zuflucht. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage errichtete 1953 der spätere Landtagsabgeordnete Friedrich Platzer eine Obstverwertungsanlage. Er schuf damit Arbeitsplätze, und die Bauern hatten nun die Möglichkeit, ihr Obst vor Ort zu verwerten. Der Betrieb florierte. 1962 wurde die Anlage vergrößert, 1971 beschäftigte er bereits 40 MitarbeiterInnen und produzierte 9 Mio. Liter Apfelsaft. In den folgenden Jahren wuchs die Belegschaft auf mehr als 100 an. Platzer starb 1975. Sein Nachfolger errichtete einen Hauptbetrieb in Haag. Die daraus resultierende Überschuldung führte 1981 zum Konkurs.

Auf Basis der Niederösterreichischen Gesetze zur Gemeindestrukturverbesserung konstituierte sich 1971 die Großgemeinde St. Peter in der Au. St. Johann schloss sich dieser als Katastralgemeinde an und verlor damit seine Selbständigkeit als Gemeinde.