Wolkersdorf im Weinviertel


Gemeinde Wolkersdorf im Weinviertel

Ortsgeschichte

Die Stadtgemeinde Wolkersdorf liegt an der Brünner Straße im Kreuzungsbereich mit dem Augebiet des Rußbachtales, das hier aus dem Weinviertler Hügelland in das Marchfeld mündet. Die Stadt ist heute neben Laa an der Thaya, Poysdorf, Mistelbach einer der vier Gerichtsbezirke des Bezirkes Mistelbach. Das heutige Gemeindegebiet umfasst die Katastralgemeinden bzw. Ortschaften Münichsthal, Obersdorf, Pfösing, Riedenthal und Wolkersdorf. Als Anbaugebiet hervorragender Weine ist die Region weit über seine Grenzen hinaus bekannt. Der Weinbau wird erstmals 1499 in einem Urbar genannt.

Die Siedlungsgeschichte von Wolkersdorf reicht bis ins Neolithikum zurück, wie Funde von Steinbeilen belegen. Aus der Hallstattzeit wurden Grab- und Siedlungsspuren gefunden, ferner ein großes frühbronzezeitliches Vorratsgefäß sowie urnenfelderzeitliche Bronzepfeilspitzen. Vermutlich ließen sich hier fränkische Siedler nieder. Der Sage nach war der Siedlungsgründer ein Edelmann namens Wolfger. Der älteste Siedlungskern mit Kirche, Pfarrhof und Schule lag westlich der heutigen Brünner Straße und wurde noch im 15. Jahrhundert Dorf oberhalb des Marktes, später Alter Markt genannt.

Die älteste Erwähnung des Namens Wolkersdorf fällt in das Jahr 1170 (Albero de Wolfcherstorf). 1186/92 schenkten die Brüder Marchward und Ulrich von Hintperch (=Himberg, Ministerialen des Herzog Leopold V.) dem Stift Klosterneuburg villicationem apud Wolfkersdorf (=„zivilisierte“ Gebiete bei Wolkersdorf). Im 13. Jahrhundert hatten die Burggrafen von Nürnberg die Lehenshoheit in Wolkersdorf inne. Das Adelsgeschlecht wurde letztmals 1346 erwähnt. 1276 zerstört Ottokar II. Přemysl die Siedlung. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde das Marktrecht verliehen. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erscheint Hermann von Wolfgersdorf im nürnbergischen Lehensregister als Besitzer des halben (also geteilten) Hauses (= Herrschaft) zu Wolkersdorf, zu der unter anderem 25 Hofstätten im Markt gehörten, die östlich der Brünner Straße um die Burg herum eine Siedlung bildeten. Wahrscheinlich entstand hier der Neue Markt bereits im 13. Jahrhundert als Rechteckplatz zwischen der Wasserburg und der (ca. 1350 neuerrichteten) Kirche. Von 1377 bis 1423 waren die Dachsberger, danach die Starhemberger die Inhaber der Herrschaft (brandenburgische Belehnung). Die zweite Hälfte der Herrschaft gehörte Stefan von Slaet, dem ab 1359 die Herrn von Hohenberg folgten. Die Vereinigung der beiden Herrschaftsteile erfolgte dann unter den Dachsbergern1378.

Nach den Starhembergern waren die Habsburger Lehensträger: seit 1538 Ferdinand I., der die Herrschaft schließlich seiner Frau Anna überließ, die 1547 testamentarisch Wolkersdorf dem kaiserlichen Hofspital in Wien vermachte. Zwischenzeitlich vom Vizedomamt verwaltet, fiel die Herrschaft 1591 endgültig dem Hofspital zu, blieb aber über dessen Aufhebung (1782) hinaus Stiftungs-Fonds-Herrschaft bis zum Ankauf durch Graf Abensperg-Traun (1870).

Für die Reformationszeit gibt es 1586 eine Beschwerde des Pfarrers zu verzeichnen, dass die Pfarrkinder zu sektiererischen Predikanten nach Schleinbach, Kronberg und Wolfpassing auslaufen. Trotz gegenreformatorischer Maßnahmen hielt sich der Protestantismus bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, wo es ca. 500 „Rückführungen“ gab. Seit 1906 ist Wolkersdorf Predigtstation der evangelischen Pfarre Floridsdorf A.B. Die Pest schlug mehrmals während der Neuzeit zu: 1679, 1733/34 und 1772. 1713 wütete sie so heftig, dass nur drei Wolkersdorfer überlebt haben sollen. Auch von Cholera und anderen Epidemien blieb der Ort nicht verschont. Zu den älteren Bauten der Stadt, deren Fassadengliederung im Wesentlichen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert stammt, zählen die 1727 barockisierte Pfarrkirche St. Margaretha, das im Kern aus dem Mittelalter (1298 erstmals urkundlich erwähnt) stammende Schloss (Wasserburg mit Ecktürmen) am Ortsrand, in dem heute das Bezirksgericht seinen Sitz hat, sowie die Dreifaltigkeitssäule aus dem Jahre 1714.

Der 1723 geschaffenen Hofkommission übertrug man den Ausbau und die Instandsetzung des Fernstraßennetzes (gleichzeitig Postlinie). Wolkersdorf lag an der wichtigen Straße von Wien nach Brünn und Breslau (ehemals Kaiserstraße, Nikolsburger Straße, heute „Brünner Straße“), weshalb Joseph II. zur Sicherung des Verkehrs eine kleine Reiterkaserne im Gebiet des Hochleitenwaldes errichten ließ. Zu Zeiten Schweickhardts verfügte der Markt über 182 Häuser, in denen 272 Familien lebten. Der Viehstand belief sich auf 81 Pferde, 140 Kühe, 47 Schafe, 15 Ziegen und 120 Schweine. Die Einwohner waren meist Weinhauer, die daneben auch etwas Körner- und Obstbau betrieben. Im Ort gab es drei große an der Kaiserstraße gelegene Wirtshäuser und zwei kleinere. Der Rußbach betrieb zwei Mühlen. Jährlich wurden vier Märkte abgehalten: am Sonntag vor St. Koloman seit 1480, zu Pauli Bekehrung seit 1540, am 2. Sonntag vor Ostern seit 1651 und zu St. Margarete (Kirchtag). Ferner gab es jeweils am Mittwoch einen Wochenmarkt.

Mit dem Decret des niederösterreichischen Landeschefs vom 7. Juli 1849 über die Durchführung der Gerichtsorganisation wurde der Gerichtsbezirk Wolkersdorf eingerichtet. Der Gerichtsbezirk wurde am 1. Juli 2002 aufgelöst und dem Gerichtsbezirk Mistelbach zugewiesen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert weilte Ludwig Anzengruber 1873/74 in Wolkersdorf. Der „Anzengruberhof“ (ehemals „Zum goldenen Strauß“) an der Brünner Straße erinnert an seinen Aufenthalt und hat ihm auch einen Gedenkraum gewidmet. In diesem Einkehrgasthaus hielt sich  am 25. September 1814 auch Zar Alexander I. von Russland auf, der sich auf seiner Reise zum Wiener Kongress in jenem Haus mit König Friedrich Wilhelm III. von Preußen traf. Wenige Jahre zuvor, nämlich 1809, richtete Napoleon I. mit seiner Französischen Armee sein Hauptquartier in der einstigen Wasserburg von Wolkersdorf ein. Bei den Kampfhandlungen wurden 40 Häuser im Alten Markt eingeäschert. Im Jahre 1866 verlief die Demarkationslinie zwischen Preußen (nördlicher Ortsteil) und Österreich (südlicher Ortsteil) durch Wolkersdorf. Im 19. Jahrhundert entstanden einige Industriebetriebe: 1855 wurde ein Ziegelwerk errichtet und etwa zeitgleich eine Drahtfabrik in der Haidvogelmühle. 1906–22 gab es im Ort eine Acetylengasfabrik. Infolge des Bahnanschlusses 1870 an die Ostbahn (Wien–Brünn), erlebte Wolkersdorf eine rasche Bevölkerungszunahme, vor allem durch den Zuzug von Beamten und Pensionisten. Bis heute ist Wolkersdorf ein typischer Auspendlerort.

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges wurde Wolkersdorf zum Angriffsziel: Die ersten Bombardierungen erfolgten am 11. Dezember 1944 und am 20. März 1945. Am 5., 6. und 11. April 1945 zerstören russische Tieffliegerangriffe elf Häuser. Der Ort wurde in den folgenden Tagen von der Roten Armee besetzt. 46 Ziviltote waren durch die Kriegsereignisse zu beklagen. Bis 1955 war der Wiederaufbau größtenteils abgeschlossen. Die günstige Entwicklung im Einzugsgebiet von Wien war die Ursache dafür, dass Wolkersdorf am 14. November 1968 zur Stadt erhoben wurde. 1978 kam es zur Gründung des Industriezentrums Niederösterreich-Nord, das ca. 1000 zusätzliche Arbeitsplätze schuf. Wolkersdorf wurden 1983/84 an das Schnellbahnnetz angeschlossen. Als in den Jahren 1982 und 1983 Rekordernten im Weinbau erzielt wurden, beschloss die Niederösterreichische Landwirtschaftskammer in Wolkersdorf ein zentrales Weintanklager mit 450.000 Hektolitern Fassungsraum zu errichten. Die notwendige Infrastruktur dafür war vorhanden, da bereits ein früheres Lager des Niederösterreichischen Winzerverbandes existierte. Man hoffte auf entsprechende Exporterfolge, doch fügte die Glycol-Affäre 1985 der österreichischen Weinwirtschaft einen schweren Rückschlag zu.