Zwettl Stift


Gemeinde Zwettl-Niederösterreich

Ortsgeschichte

Der slawische Name Zwettl bedeutet „lichter Ort, Lichtung" und - in einem weiteren Sinn - „lichtes Tal", wie der Name des im 12. Jahrhundert gegründeten Zisterzienserklosters in bewusster Angleichung an die französische Zisterze Clairvaux gedeutet wurde (lat. Clara vallis bzw. Claravallensis). Das Kloster hatte wesentlichen Anteil an der Erschließung des Waldviertels, das nicht zuletzt durch die Tätigkeit der Zisterzienser zum "Lebensraum" wurde.

Als Hadmar I. von Kuenring im Jahr 1137 das Kloster Zwettl gründete und zwölf Zisterzienser mit dem ersten Abt Hermann aus dem Mutterkloster Heiligenkreuz holte, lag der Bauplatz inmitten eines zum Teil unerschlossenen Waldgebietes, dem Nordwald, allerdings nicht weit entfernt von der Alt-Siedlung Zwettl und einer bedeutenden Fernstraße nach Böhmen. Der Bauplatz für die neue Zisterze entsprach den Ordensvorschriften: Er bot Abgeschiedenheit, fließendes Wasser, Schutz und ein reiches Betätigungsfeld für Rodung und Aufbauarbeit.

Die Zisterzienser waren damals der bedeutendste Reformorden Europas, der größten Wert auf Gebet, Askese und Weltabgeschiedenheit legte. Im Sinne des benediktinischen ora et labora („bete und arbeite") sollte die eigenhändige Arbeit die Lebensgrundlage bilden. Zwettl war nach Heiligenkreuz - wenige Jahre zuvor (1133) von Markgraf Leopold III. gegründet - die zweite Zisterze im Land. Der Kuenringer Hadmar, der als „erster Stifter" gefeiert wird, folgte dem landesfürstlichen Vorbild, womit er Weitblick und auch Selbstbewusstsein bewies. Das Kloster erschloss in der Folgezeit den Nordwald und wurde zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des Landes nördlich der Donau. Die im 12. Jahrhundert errichtete steinerne Bogenbrücke über dem Kamp ist eines der ältesten technischen Bauwerke Österreichs. Als Gründung und Grablege der Kuenringer war Zwettl ihr Hauskloster, wo ihre Adelstradition gepflegt und ausgestaltet wurde. Ihren schriftlichen Niederschlag fand sie im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts im Zwettler Stifterbuch (Liber fundatorum), der nach ihrem Einband aus der Haut eines Saubären (Zuchteber) benannten „Bärenhaut".

Hadmar I. wird den Baubeginn vermutlich nur in seinen Anfängen oder gar nicht mehr erlebt haben, er starb noch im Mai 1138. Seine Gründung war erfolgreich: 1139 wurde sie von König Konrad III. bestätigt, 1140 von Papst Innozenz II. Das neue Kloster hatten großen Zulauf und wurde vom Adel der Umgebung gefördert. 1159 konnte die Kirche geweiht werden. Zu den ältesten noch erhaltenen Bauteilen aus dem 12. Jahrhundert gehören der Kapitelsaal, das Dormitorium (Schlafraum) und das Necessarium (Latrinenanlage). Die Mönche rodeten das Land, errichteten Wirtschaftshöfe (Grangien) und gründeten neue Siedlungen.

Im 13. und 14. Jahrhundert erlebte das Kloster eine erste Blütezeit. Es besaß ein bedeutendes Skriptorium und eine Bibliothek und wurde unter Abt Ebro (1273-1304) zu einer burgartigen Abtei ausgebaut. Unter Ebro wurde auch das älteste Stiftsurbar angelegt, eine wesentliche Vorarbeit für die „Bärenhaut", die berühmteste Stifter- und Klosterchronik in Niederösterreich.

Wenige Jahrzehnte später wurde mit der stufenweise Ersetzung des romanischen Kirchenbaus durch einen an französischen Vorbildern orientierten gotischen Neubau begonnen (1343). Der Chor mit einem  Kapellenkranz aus 13 Chorkapellen war 1383 vollendet. Im 15. Jahrhundert erhielt der Abt anlässlich des 300-jährigen Bestehens des Klosters das Recht der Pontifikalien zugestanden (1438). Wenig später wurde in Abmilderung der strengen Regeln die erste Heizungsanlage eingebaut (1453). Um 1500 entstand der so genannte Bernhardialtar, dessen Flügel Jörg Breu der Ältere, ein Hauptvertreter der Donauschule, mit Szenen aus dem Leben des hl. Bernhard gestaltete.

Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert erlebte das Kloster schwere Krisen. In den Hussitenkriegen (1427-1430) wurde es zerstört und geplündert, in der Reformationszeit löste sich der Konvent fast auf. 1561 fanden sich nur mehr drei Brüder und zwei Novizen zur Abtwahl ein. Nach vorübergehender Belebung um 1600 führten die Schäden im Dreißigjährigen Krieg und vor allem die Plünderung durch die Schweden 1645/1646 zu erneuten Schwierigkeiten. Erst unter Abt Johann Bernhard Linck (1646-1671) konnte sich das Kloster konsolidieren. Linck förderte Wissenschaft, Unterricht und Musik und war selbst historiografisch tätig. Seine Annales Austrio-Claravallenses gehören zu den großen Werken österreichischer barocker Klostergeschichtsschreibung und wurden zum Fundament der Stiftsgeschichte.

Unter seinen Nachfolgern Caspar Bernhard (1672-1695) und vor allem Melchior von Zaunagg (1706-1747) erhielt das Stift seine heutige Gestalt. Hof und Kirche wurden barock umgebaut, der 80 Meter hohe Kirchturm, die Bibliothek, die Stiftstaverne und Teile des Konventsgebäudes neu errichtet. Namhafte Künstler wie Josef Munggenast, Paul Troger, Martino Altomonte, Martin Johann Schmidt (Kremser Schmidt), Johann Georg Schmidt (Wiener Schmidt) und Jakob Schletterer wirkten an Bau und Ausstattung mit.

In der josephinischen Zeit entging das Kloster zwar knapp der Aufhebung, verlor aber zehn Meierhöfe, was eine schwere wirtschaftliche Einbuße bei gleichzeitig vermehrter Verpflichtung zu Seelsorgetätigkeit bedeutete. Das Kloster war in der Folgezeit verstärkt in die neuen sozialen und kulturellen Unternehmungen eingebunden. Vor allem Abt Stephan Rössler (1878-1923) trug durch rege Bautätigkeit, darunter Epidemiespital, Elektrizitätswerk, Volksschule und Brücken, zur Verbesserung der Infrastruktur bei. Die unter ihm durchgeführte Erneuerung der monastischen Formen führte allerdings zu einem Spannungsverhältnis zwischen zisterziensischem Ideal und übernommenen seelsorglichen Pflichten. Unter der NS-Herrschaft war das Kloster erneut von der Aufhebung bedroht, die zwar verhindert werden konnte, doch mussten große Teile der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen samt dem Dürnhof - der baulich ältesten, urkundlich bereits 1210 genannten Grangie - an den Truppenübungsplatz Allentsteig abgegeben werden.

Die Stiftswirtschaft konzentriert sich heute auf Wald- und Landwirtschaft sowie auf die Fischzucht. Neben dem traditionsreichen Konvikt der Zwettler Sängerknaben und dem Bildungshaus werden insgesamt 20 Pfarren seelsorglich betreut. Die schon nach dem Zweiten Weltkrieg begonnene Restaurierung wurde inzwischen abgeschlossen und Teile des Stifts, darunter die aus dem 12. Jahrhundert stammenden Bauteile, öffentlich zugänglich gemacht. Im Dürnhof mit angebauter Kapelle aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert wurde das Museum für Medizin-Meteorologie untergebracht. In Fortführung der alten Musiktradition des Klosters steht die berühmten Barockorgel des Stifts jährlich im Mittelpunkt eines renommierten internationalen Orgelfests.